Felidae 2 - Francis: Ein Felidae-Roman
so sicher wie das heuchlerische Amen in den menschlichen Kirchen würde er uns in wenigen Sekunden allesamt zerfleischen. Er machte ein paar Schritte auf uns zu, wir wichen erschrocken zurück. Doch gleich darauf hörten wir ein erbärmliches Jaulen. Es kam ohne Zweifel von ihm, denn es klang einfach zu hündisch, um von einem von uns zu stammen. Rasch ließen wir uns den Hergang des Geschehens von den Sehenden berichten. Der verrückte Hugo war plötzlich aus der Dunkelheit aufgetaucht und wie ein fliegender Vampir an den Hals des Hundes gesprungen. Er muß uns die ganze Zeit beschattet haben und schlug zu, als er uns in echter Gefahr wähnte. Jedenfalls besaß der Hund überhaupt keine Chance, irgend etwas gegen ihn auszurichten, da Hugo von seinem Hals nicht abließ, wie oft er sich auch in unerträglichem Schmerz hin- und herwand. Schließlich drang der Verrückte mit seinen Reißzähnen bis in die Speiseröhre des anderen Verrückten ein, bis dieser hinfiel und nur noch kläglich wimmerte. Wir beteten geradezu, daß er ihn richtig in die Mangel nahm, ihn unter denselben barbarischen Qualen, die wir einst erlitten hatten, meuchelte. Er sollte spüren, was Angst, echte Todesangst bedeutete, bevor er den Todesstoß erhielt. Aber statt dessen passierte etwas unerhört Bizarres. Es muß an dem gelegen haben, was man gemeinhin als Geistesverwandtschaft bezeichnet oder als der richtige Wellenlänge. Der Hund röchelte wie um Gnade, er hatte sich längst geschlagen gegeben, weil Hugo an seinem Lebensnerv haftete wie eine bösartige Zecke; die winzigste Abwehrbewegung konnte für ihn die Reise zum Schafott bedeuten. Endlich hatte der Drache einen ebenbürtigen Ritter gefunden. Da trafen sich ihre Blicke. Doch dieser Blickaustausch unterschied sich vollkommen von dem üblichen Haßstarren, das zwischen Sieger und Besiegtem stattfindet. Es war ein Strom des Einandererkennens, des Verständnisses für die begangenen Greueltaten des anderen, die perfekte Spiegelung des eigenen Wesens im Antlitz des Gegenübers, das Verschmelzen zweier Formen des Wahnsinns zu einem einzigen, noch monströseren Wahnsinn. Ja, der verrückte Hugo hatte uns aus einem unerklärlichen Grund gerettet und von dem Fluch, der uns auszumerzen drohte, erlöst. Allerdings hatte er mit diesem Akt seine bis dahin uns immer noch verwandte Seele endgültig verscherbelt, war quasi einen Teufelspakt eingegangen. Er ließ von der Dogge ab, die trotz ihrer schlimmen Verletzung auf die Beine kam und ihren Bezwinger wie hypnotisiert ansah. Dann bestieg Hugo seinen Drachen und trabte auf ihm wie ein Cowboy gegen den Sonnenuntergang davon. Seitdem haben wir die beiden nie mehr gesehen. In unseren Sagen jedoch leben sie immerfort.« ( 7 )
»Wiedergesehen haben wir das Duo nicht mehr, aber gelegentlich Gespenstisches über sie gehört.« Safran blieb stehen, leckte sich gedankenverloren die Vorderpfote und streifte sie dann über den Kopf. Auch er schien sich mit Grauen an diese Zeit zu erinnern.
»Ihr glaubt, daß sie für die Morde verantwortlich sind?« fragte ich, obwohl ich es eigentlich gar nicht so genau wissen wollte. Denn was sollte an der Hypothese, daß ein verrückter Hund und ein noch verrückterer Hugo eine Mordserie angezettelt haben sollten, falsch sein? Nach all den unfaßbaren Dingen, die ich in den letzten Minuten erfahren hatte, hätte ich mittlerweile auch an die Existenz von den Sieben Zwergen geglaubt.
»Die Nachrichten von draußen dringen spärlich zu uns.« Safran brach wieder auf, und Niger und ich folgten ihm in Richtung der wie vom Flutlicht bestrahlten Stelle, wo sich die anderen allmählich einzufinden begannen.
»Es heißt, daß Hugo die Kanalisation mit seinem Mörderrappen für immer verlassen hätte und nun sein Unwesen in den umliegenden Wäldern treibe. Man nennt ihn dort den Schwarzen Ritter, weil er bei seinen zwar seltenen, dafür jedoch um so spektakuläreren Auftritten stets auf dieser meschuggenen Dogge gesichtet wurde. Er soll auf dem Hund aufrecht gesessen haben wie ein richtiger menschlicher Reiter, sagt man, und jedesmal löste der Anblick der beiden bei den Betrachtern geradezu mystische Gefühle aus. Sie sind Außenseiter par excellence, daher erscheint es logisch, daß sie diejenigen tyrannisieren, die ein erfülltes Leben in menschlicher Geborgenheit führen. Das Leben als Ausgestoßene und die Einsamkeit haben sie endgültig verrohen lassen, und sie morden nun aus reinem Haß und Neid - mal abgesehen davon, daß
Weitere Kostenlose Bücher