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Felidae 2 - Francis: Ein Felidae-Roman

Felidae 2 - Francis: Ein Felidae-Roman

Titel: Felidae 2 - Francis: Ein Felidae-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Akif Pirinçci
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Gewehrs in der anderen Hand des Spähers, das, soweit ich es von dieser Entfernung beurteilen konnte, eine extravagante Spezialanfertigung war. Die konventionelle Holzschäftung war zugunsten eines einzigen Metallbügels, der sich lediglich am Umriß eines Gewehrs orientierte, abgeschafft worden. Darauf ruhte der matt silbern glänzende und einem Bolzen nicht unähnliche Lauf. Man mußte schon ein Champion-Pistolero sein, um mit solch einem massiven Apparat präzise zielen zu können. Der unheimliche »Flurpfleger« reihte sich mit seiner rotschwarzkarierten Holzfällerjacke und einer dazu passenden Wollmütze mit losen Fellklappen eher in die nordamerikanische Trachtenversion seiner Zunft ein. Um seine Säuberungspflichten wieder aufzunehmen, legte er jetzt, da ich ihn mit aufgerissenen Augen anstarrte, behende den Feldstecher beiseite, richtete das Schießeisen erneut auf mich und gab sich voller Hingabe dem Zielen hin. Dabei konnte ich für einen Moment sehen, daß auf seiner Nase eine Nickelsonnenbrille mit verspiegelten Gläsern saß. Die Vermutung lag nahe, daß er diesmal kaum vorbeiballern und den Baum treffen würde, weil der erste Fehlschuß ihn bestimmt zu einer Korrektur veranlaßt hatte. Mir wollte es einfach nicht in den Kopf, warum er auf mich anlegte. Eine solche Ähnlichkeit mit einem Kaninchen besaß ich doch gar nicht. Der Waidmann indes war offenbar anderer Meinung, und bevor ich Gelegenheit erhielt, mich ihm als ein Gentleman von Geist und Kultur vorzustellen, ballerte er erneut los.
    Mit instinktiver Geistesgegenwärtigkeit machte ich den weitesten Satz meines Lebens nach vorne, während ich gleichzeitig hinter meinem Rücken das endgültige Auseinanderkrachen des Baumstammes vernahm und losfliegende Holzsplitter an mir vorbeizischen sah. Heiliger Bimbam, der Irre meinte es ernst! Die plötzliche Adrenalinüberflutung meiner Zellen reduzierte mich zu einem besinnungslos Handelnden, bei dem das Denken auf Heuschrecken-Niveau heruntergefahren wurde. Alles geschah automatisch, ohne jeden Plan, schier unbewußt. Wohin, wohin nur vor dem übermächtigen Artilleriefeuer? Dort - die Rettung! Wie eine Erleuchtung tauchte vor mir die Eingangsspalte eines hohlen Baumstamms auf, welcher ein idealer Zufluchtsort, zumindest eine provisorische Deckung zu sein versprach. Doch da schlug bereits die nächste Kugel nur ein paar Zentimeter vor meinen Pfoten in die Erde ein, riß dort einen kleinen Krater, so daß ich hasengleich einen scharfen Haken in die andere Richtung schlagen mußte. Wenn der Kanonier einen letzten Zweifel über seine Kaninchentheorie gehegt hatte, wurde sie durch mein Verhalten ein für allemal weggewischt. Im entlegensten Winkel meines Oberstübchens meldete sich trotz größter Gefahr die Grübelei zu Wort, und ich stellte einen Vergleich zwischen der menschlichen und unserer Auffassung von der Jagd an. Während meinesgleichen sich nämlich auf die widerwärtige Sippe der Nager spezialisiert hat, vernichtet der Mensch aus Spaß an der Freud und ohne erkennbare Not alles, was ihm vor die Flinte läuft, bevorzugt sogar Vertreter seiner eigenen Spezies. Ein recht befremdliches Vergnügen. Kann es denn wirklich sein, so fragte ich mich, daß die Natur eine einzige Masche falsch gestrickt und ein Geschöpf hervorgebracht hat, dessen Neigung zur Allmacht es wie der hoffnungslose Fall eines Psychoanalytikers zur Ermordung seiner Urmutter treibt? Aber warum und weshalb? Um sich selbst als Gottvater zu feiern? Wie anders wären Millionen und Abermillionen von Tieren, die von Jägern gehetzt, verstümmelt und massakriert werden, zu erklären? Wie anders wären all die übrigen Monstrositäten, die Menschen anrichten, zu erklären? Aber dann hieße das ja, daß die Natur selbst nichts weiter als ein kaputtes Monstrum wäre.
    Das Räsonieren fand ein jähes Ende, als eine weitere Kugel in einen herabschwingenden Ast, den ich bei meiner konfusen Flucht streifte, ein großes Loch sprengte, und die umherschießenden Splitter meinen Kopf trafen. Der grobkörnige Holzstaub geriet mir in die Augen und nahm mir die Sicht. Jetzt, da ich wie ein Clown mit grotesk großen Schuhen unbeholfen herumtapste, wurde nicht geschossen. Doch das kannte nur bedeuten, daß der Schütze gerade nachlud.
    Nur schemenhaft erblickte ich in einiger Entfernung eine Buschmauer, welche durch eine Öffnung in ihrer Mitte mit einem strahlenden Licht lockte. Während ich noch überlegte, ob ich dieses Schlupfloch ausprobieren sollte,

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