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Felidae 2 - Francis: Ein Felidae-Roman

Felidae 2 - Francis: Ein Felidae-Roman

Titel: Felidae 2 - Francis: Ein Felidae-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Akif Pirinçci
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daß ich gleich meinem Schöpfer gegenübertreten würde, um ihn höchstpersönlich nach dem Grund der Zerstörung zu fragen.
    Gott aber macht offenbar Ausnahmen. Zumindest, was mich betrifft. Irgendwer, irgendwas schlug mich, ja ich spürte einen richtigen Schlag, der durch meinen ganzen Körper ging und mich nach vorne schleuderte und an den Rand des Autobahnmittelstücks warf. Bevor ich der roten Heimsuchung noch einen Abschiedsblick nachwerfen konnte, war sie schon wieder verschwunden, unterwegs zu neuen Opfern. Eine dumpfe Betäubung nahm allmählich von mir Besitz, und ich weiß nicht mehr genau, wie ich die Gegenfahrbahn überwand. Mit einem letzten preisverdächtigen Sprung kam ich jedenfalls über die Leitplanke.
    Noch in der Luft erfaßte mich ein bizarres Zeitlupengefühl. Ich spürte, wie in mir eine Euphorieblase platzte und trotz der körperlichen Qualen Schauer des Glücks freisetzte. Wieder einmal hatte ich dem garstigen Schicksal eine lange Nase gezeigt. Ab jetzt konnte es eigentlich nur noch bergauf gehen. Doch als ich im freien Flug den Kopf nach unten senkte, um die Landung hinter der Leitplanke zu koordinieren, mußte ich zu meinem großen Kummer feststellen, daß es zunächst einmal enorm bergab ging. Wer hätte auch ahnen können, daß die metallene Abgrenzung der Straße ein steiles, fast abgrundartiges Gefälle von mindestens fünfzehn Metern Tiefe verbarg, das zwar durch einen Laubteppich abgepolstert war, dafür jedoch wie das Nagelbett eines Fakirs mit einer Unzahl von jungen Nadelbäumen aufwartete. 007 hätte in so einer mißlichen Lage sicherlich einen Fallschirm aus seinem Schuh gezogen, dagegen mußte meine Wenigkeit sich mit einem heiseren Hilfeschrei und dem fragwürdigen Vertrauen in das angeblich weltweit flexibelste Knochen- und Muskelkostüm begnügen. So schlug die Hochstimmung noch während des Fluges in nackte Panik tun, bevor es in das Tal der Schmerzen hinabging.
    Es war keine Überraschung, daß ich wie üblich auf meinen vier Pfoten landete, doch verschonte mich diese magische Naturgabe diesmal nicht vor größerem Leid. Es war nämlich unmöglich, auf der Erde auch nur den notdürftigsten Halt zu erlangen, da die extreme Abschüssigkeit den Hang in eine Höllenrutsche verwandelte. So überschlug ich mich sofort, nachdem ich den Boden berührt hatte, und polterte die mörderische Schräge kreischend und Stoßgebete delirierend abwärts. Hierbei prallte ich gegen die Jungtannen, welche es sich natürlich kaum verkneifen konnten, ihre spitzen Nadeln und Äste in meinen Pelz zu pieksen, als wären sie angesoffene Soldaten des Mittelalters, die sich mit ihren scharfen Lanzen an dem Spießrutenläufer ergötzten. Derlei Sadismus seitens Mutter Natur wird von Ökologen stets verschwiegen, war mein letzter Gedanke, bevor ich zerstochen und verbeult wie ein dilettantischer Imker in einem Farnbett zum Liegen kam und den Totstellreflex nicht nur ausübte, sondern ihm als dem einzig wahren Lebensstil huldigte. Himmel, hatten denn alle Waldbewohner solch einen aufregenden Alltag? Dagegen war ja meine ganze bisherige Existenz der reinste Tiefschlaf gewesen. Nicht zum ersten Mal seit meiner albernen Flucht überlegte ich, ob der Allmächtige meine Aversion gegen gewisse Amputationen wirklich derart hart bestrafen mußte und ob er mir zur Abwechslung nicht mal wieder etwas Nettes widerfahren lassen konnte, und sei es auch eine fünfminütige Verschnaufpause ...
    Er tat es, und zwar spektakulärer, als ich es in meinen kühnsten Träumen je zu hoffen gewagt hätte.
    Ihre Stimme war der verhexende Choral der abgründigsten Verlockung, gerichtet von Venus an ihre immer gefügigen Diener. Oh, könnte ich nur diese süße Klage in Worte fassen. Ach, wäre es mir doch möglich, die elektrisierenden Gefühle wiederzugeben, die ich beim Vernehmen dieses betörenden Gesangs empfand! Ich lag in dem weichen Farnlager, alle Glieder von mir gestreckt wie das ausgestopfte Konterfei meiner selbst und wegen der furchtbaren Blessuren leise in mich hineinwimmernd, als die Eva meiner Sehnsüchte ihre verlangende Stimme erhob. Gleich am Anfang erkannte ich, daß diese Art des Jaulens unmöglich von meiner Art stammen konnte. Und doch existierte da eine vertraute Verbindung zum Lustgesang unserer Damen, eine unverkennbare Gleichartigkeit von Melodie und Couleur. Der Unterschied lag in der dunklen Tiefe des Jammerns, welches in Unterbrechungen mit einem ehrfurchtgebietenden Fauchen einherging und aus einer

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