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Felidae 2 - Francis: Ein Felidae-Roman

Felidae 2 - Francis: Ein Felidae-Roman

Titel: Felidae 2 - Francis: Ein Felidae-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Akif Pirinçci
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den Baumstumpf mit sehr vorsichtigen Bewegungen herunter.
    »Woher kennst du meinen Namen?«
    Gerade hatte ich die Frage ausgesprochen, als ich mir auch schon hätte auf die Zunge beißen können. Wie konnte ich nur so unsensibel und pietätlos sein!
    »Alraune ...«, sagte ich beschämt zu mir selbst. »Sie hat euch von mir erzählt.«
    »Natürlich«, erwiderte die Alte und humpelte mir durch den Gang entgegen, den die Umstehenden ihr freimachten. Ich konnte mich täuschen, doch mein Gefühl sagte mir, daß ich der einzige Mann in der Runde war. Normalerweise ist das ein Grund zum Jauchzen, doch diesmal stimmte mich dieser Umstand eher nachdenklich.
    »Sie hat sogar sehr ausgiebig von dir erzählt. Vor allen Dingen davon, daß du es darauf anlegst, den Schwarzen Ritter zur Strecke zu bringen. Ich bin Aurelie, die Stammesführerin, und Alraune war meine Lieblingstochter, bis ... bis dieses Ungeheuer sie sich holte.«
    »Ich habe guten Grund zu der Annahme, daß es sich bei dem Ungeheuer in Wahrheit um eine Vogelscheuche handelt, die nur die ganz dummen Vögel zu täuschen vermag.«
    »Was meinst du damit, Sohn? Ich bin alt, und der Sinn für feine Anspielungen ist mir im Laufe der Jahre verlorengegangen.«
    Weil ihr offensichtlich das bloße Stehen Mühe machte, ließ sie sich vor meinen Pfoten auf das Gras niedersinken und streckte kraftlos alle Glieder von sich. Wie ein scharfer Befehl, der keinen Widerspruch duldet, fühlte die umstehende Schar sich daraufhin veranlaßt, es ihr gleichzutun und sich ebenfalls auf dem Boden auszubreiten. Da alle gleichzeitig in die Knie gingen, sah es so aus, als falle ein Zirkuszelt in sich zusammen. Hunderte von leuchtenden grünen Augen funkelten mich aus wißbegierigen Gesichtern an, und die grazilen Körper, auf denen diese Gesichter ruhten, waren der flauschigste und edelste Teppich, den ich je erblickt hatte.
    »Bevor ich es dir erkläre, Aurelie, möchte ich dir und deinem Stamm mein tiefstes Mitgefühl für Alraunes Tod aussprechen. Ich habe keine Ahnung, was Alraune euch von mir erzählt hat, geschätzte Schwestern, aber ihr müßt wissen, daß ich sie in den wenigen Minuten, in denen wir zusammen waren, mehr geliebt habe als alles andere auf dieser Welt. Und die Liebe wird genug gewesen sein. Nicht einmal eines Erinnerns bedarf die Liebe. Denn da ist ein Land der Lebenden und ein Land der Toten, und die Brücke zwischen ihnen ist die Liebe - das einzige Bleibende, der einzige Sinn. Ich wünsche der Kreatur, die ihrem Leben ein solch grausames Ende bereitet hat, daß sie nie und nimmermehr ihren Seelenfrieden findet, weder im Leben noch im Tode!«
    Ein besorgtes Aufflackern huschte über alle grünen Augen, gerade so, als sei ein drakonisches Gerichtsurteil ausgesprochen worden.
    »Und nun die Frage, Aurelie: Weißt du, welches Tier in diesem Jumbo-Käfig einmal eingesperrt gewesen war?«
    »Ist es nicht so, daß die Menschen immer die bösen Tiere in Käfige stecken, mein Sohn?«
    »Nein, nicht immer. Auch die kostbaren Tiere werden von ihnen in Gefangenschaft gehalten. Also welches war es?«
    »Das wissen wir nicht. Wir schätzen diesen Ort als abgeschiedenes Ruhelager und entdeckten ihn, als er bereits eine Ruine war. Vielleicht hat das kostbare Tier seine Wärter irgendwann aufgefressen und ist geflohen.«
    »Jedenfalls muß es ein gewaltiges Tier gewesen sein, wenn es einen so großen Auslauf gebraucht hat. Verwunderlich auch, weshalb der Kasten mitten im Wald steht, gerade so, als sollte der Inhalt versteckt werden.«
    »Experimente, Francis, die Menschen machen Experimente mit den Tieren, ja sogar mit ihresgleichen. Man könnte sogar sagen, daß unser jahrhundertealtes Leiden auf einem Experiment des Menschen mit der Natur beruht - auf einem mißlungenen versteht sich.«
    »Habt ihr so ein böses Tier hier im Wald schon einmal gesehen?«
    »Ja. Es hat fast immer einen Fotoapparat dabei und singt Wanderlieder.«
    Sie lachte ordinär, und ihre Sippe fiel in das Lachen pflichtschuldigst mit ein. Dabei entblößte das offene Maul der Alten schadhafte, halb weggebrochene Zähne und mannigfaltige Lücken. In der Regel vermochte unsereins mit so einem Trümmergebiß nicht mal mehr eine Fliege zu erhaschen. Doch ich nahm an, daß die anderen das erledigten und für sie den Tisch deckten.
    »Nun gut, dann beschäftigen wir uns ein wenig mit der Erscheinung des Schwarzen Ritters«, sagte ich schnell, weil ich plötzlich das Gefühl hatte, daß das Hohnlachen mir galt.

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