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Felidae 2 - Francis: Ein Felidae-Roman

Felidae 2 - Francis: Ein Felidae-Roman

Titel: Felidae 2 - Francis: Ein Felidae-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Akif Pirinçci
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Norden verdrückte, hatten zu einem fragwürdigen Ergebnis geführt. Vermutlich war die ungewöhnliche Wanderungsbewegung auf den Satellitenbildern zu sehen gewesen, und Diana hatte sich trotz des Sauwetters sofort an die Fersen der Wilden geheftet. Doch anstatt die ganze Meute an einem übersichtlichen Platz alle auf einmal vor den Lauf zu bekommen, erwischte sie nur einen falschen Hasen.
    Der falsche Hase war ein gewisser Detektiv namens Francis, der gerade einen Berufswechsel zum Eremiten ins Auge gefaßt hatte. War? Hatte? Fürwahr, in dem Zustand, in dem ich mich auf einmal befand, spielte der Faktor Zeit keine Rolle mehr. Und in diesen Zustand war ich durch eine Kugel aus Dianas Bolzengewehr geraten. Eine Verwechslung mit dramatischen Folgen sozusagen. Ich hatte den Treffer nicht einmal richtig registriert, sondern nur ein plötzliches Beben meines Körpers wahrgenommen, bevor meine Pfoten für einen Augenblick vom Boden abhoben und dann wie die Glieder einer Gummipuppe einknickten. Ich fiel rücklings hin und konnte mich nicht mehr rühren.
    Alles Weitere spielte sich wie in meiner Todesvision ab, oder besser gesagt beinahe so, denn im Gegensatz zu dem bekannten kleinen Ausschnitt gab es diesmal eine Fortsetzung. Während ich, zur Unbeweglichkeit verdammt, gezwungen war, durch meine zusammengekniffenen Augenlider den hinter der dunklen Wolke schimmernden Vollmond zu betrachten, stellten sich starke Schmerzen ein. Sie fühlten sich an, als wären sämtliche meiner Nervenenden nach außen verlagert worden, und ein begnadeter Sadist schrubbe sie mit einer Drahtbürste ab. Ich verspürte nur nach den Wunsch nach einem baldigen Tod. Mit einem Auge schielte ich an mir herunter und sah, daß ich viel Blut verlor. Es hatte bereits eine Pfütze um mich herum gebildet. Dann durchdrang mich ein unwillkürliches Zucken, welches den Schmerz zwar nicht zu lindern vermochte, aber einigermaßen von ihm ablenkte. Nach einer Weile hörte auch das auf und gleichzeitig damit alles, was einmal eine Bedeutung gehabt hatte.
    Als hätte man die Foltermaschine abgestellt, verschwanden alle Schmerzen schlagartig. Purpurfarbene Lichtschwaden nahmen sich meines Körpers an und schufen eine grelle Aura. Oh, wie schön war es, von diesem magischen Licht durchflossen zu werden wie vom Wasser einer heiligen Quelle. Das nächste Wunder ließ nicht lange auf sich warten. Nun schwebte ich ganz langsam vom Boden empor, wobei ich gleichzeitig eine gemächliche Drehung um meine eigene Achse vollführte. All diese sanften Bewegungen hatten etwas unendlich Beglückendes an sich. Als meine Vorderseite ganz dem Acker zugewandt war, konnte ich das Geschehen auf der Erde mitverfolgen. Doch da unten passierte nicht mehr viel. Francis lag mit einer blutenden Wunde in der Bauchgegend in einer breiten Furche des Feldes und zuckte schmerzdurchdrungen. Mit einem Mal riß er die Augen auf und erstarrte wie eine Phasenaufnahme im Film. Während ich mich also von meinem eigenen Körper entfernte, hatte ich meinem eigenen Tod beiwohnen dürfen. Wie aufregend!
    Ich schwebte weiter himmelwärts, entfernte mich immer mehr von der Leiche, und je kleiner die Hülse von Francis auf der Erde wurde, desto unwichtiger und belangloser wurden auch seine Problemchen und Gedanken, die ihm eine verschwindend kurze Zeit lang die Illusion des Lebens vorgegaukelt hatten. Man muß alt geworden sein, also lange gelebt haben, so dachte ich, um zu erkennen, wie kurz das Leben ist. Und welches Glück man auch erfahren hatte, der mit dem Leben verbundene Schmerz hatte sich in Wirklichkeit niemals verleugnen lassen. Daß ich dennoch so sehr den Tod verabscheut hatte, war nichts weiter als ein anderer Ausdruck davon gewesen, wie sehr ich das Leben gewollt hatte und daß ich nichts war als dieser Wille und nichts gekannt hatte als eben ihn.
    Plötzlich wurde mir bewußt, daß mir in einer heißen Auseinandersetzung die Rolle des Schiedsrichters zuteil geworden war. Auch das kam mir bekannt vor, hatte ich doch diese sich vehement bekämpfenden Stimmen bereits in meiner Todesvision vernommen. Allerdings führten sie diesmal keinen richtigen Dialog miteinander, sondern symbolisierten zwei entgegengesetzte Kräfte meiner Seele. Die eine Seite beharrte auf der Kraft des Willens und dem Leben, die andere auf der Sinnlosigkeit alles Irdischen und auf der Erlösung. Wie es schien, blieb mir für eine Entscheidung wenig Zeit, denn ich hatte mich von dem Acker inzwischen derart weit entfernt, daß

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