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Felidae 2 - Francis: Ein Felidae-Roman

Felidae 2 - Francis: Ein Felidae-Roman

Titel: Felidae 2 - Francis: Ein Felidae-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Akif Pirinçci
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ließen, würden sie sich meinem Blick endgültig entziehen. Ich wußte nicht, ob ich dann noch die Kraft würde aufbringen können, ihnen zu folgen. Genaugenommen ähnelte die ganze Situation ohnehin einem mehr oder weniger verschleierten Selbstmord. Wenn sie herausfänden, daß ich, der letzte Eingeweihte in das Geheimnis, noch am Leben war, würden sie mich mit absoluter Sicherheit umbringen. Sei's drum. Ich war mehr Detektiv, als ich es mir in meinem ewigen Zynismus eingestehen wollte. Und Detektive mußten nun einmal die Mörder stellen. Gleichgültig, um welchen Preis.
    Während ich mit Verschnaufen beschäftigt war, hatten sie den Kamm des Hügels erreicht. Nun glichen sie wahrhaftig jenen »grauen Gespenstern«, die den Menschen so lange Angst und Schrecken eingejagt hatten. Hunderte von Rücken schimmerten silbrig in der Ferne wie das letzte Aufgebot einer geschlagenen Armee, und Hunderte von durchnäßten Schwänzen schwangen im Takt sanft hin und her wie ramponierte Scheibenwischer, die vergeblich gegen den Regen ankämpfen.
    »He, ihr Mörder, wo wollt ihr denn hin?« rief ich aus voller Kehle und begann dann langsam auf sie zuzumarschieren. Allesamt blieben sie abrupt stehen und drehten sich zu mir um. In ihren Gesichtern war keine Überraschung auszumachen, sondern eher der Unmut über ein lästiges Problem, das man trotz aller Anstrengung nicht gelöst hatte. Beim Anblick dieser unzähligen Desperados wurde mir recht mulmig zumute, doch ich wollte lieber sterben, als sie ohne ein Wort des Abscheus davonziehen zu lassen.
    Plötzlich hörte es auf zu regnen, und durch eine steife Brise begann der schwarze Wolkenbrodem sich zu lichten. Durch die aufgerissenen Stellen sah man das imposante Tiefblau des Himmels, bestückt mit dem zur vollen Reife gelangten Vollmond. Woran erinnerte mich dieses eindrucksvolle Bild nur? Der kahle Acker, der düstere Nachthimmel, der Vollmond, vor dem die trüben Wolken hin- und herwanderten ...
    »Komm nicht näher, wenn dir dein Leben lieb ist, Francis!« rief Aurelie und bahnte sich humpelnd einen Weg durch die Umstehenden. Als sie sich durchgekämpft hatte, baute sie sich vor der Schar der zerzaust und ziemlich abgewirtschaftet aussehenden Weibchen auf und warf mir einen vorwurfsvollen Blick zu. Wir alle waren pitschnaß, und der starke Wind drang in uns ein wie die frostmanikürten Fingernägel der Eiskönigin.
    »Du wirst doch den letzten Mitwisser eurer kannibalistischen Vergangenheit nicht ungeschoren davonkommen lassen, Aurelie. Hier bin ich. Erst wenn ihr mich getötet habt, ist die Geschichte des Blutes wirklich zu Ende.«
    »Ich wußte gar nicht, daß du so selbstgefällig sein kannst, mein Sohn. Aus den Palästen der vollen Freßnäpfe läßt sich leicht über die heruntergekommene Moral der Hungerleider spotten. Hast du schon einmal einen Winter im Wald verbracht, Francis? In einem Wald, der so umgeforstet ist, daß er dem keimfreien Idyll einer kitschigen Wandtapete entspricht? Glaubst du tatsächlich, du könntest auch nur eine Woche lang in diesem falschen Paradies überleben, in Regen und Eis, gehetzt von den Kugeln der Jäger, terrorisiert von Autos, gefangen in Fallen? Wie willst du jagen, wenn Horden von spaßsüchtigen Menschen mit ihren Fahrrädern, Flugdrachen, Wohnwagen und Campingausrüstungen einen Höllenlärm veranstalten und deine Beute verscheuchen? Kostet es dich ein müdes Grinsen, wenn deine Kinder neben dir verhungern? Oder deine eigenen Eltern? Oder bist du etwa nur der eitle Detektiv, der halt gern Mörder überführt, gleichgültig aus welchem notwendigen Motiv sie gehandelt haben?«
    »Ach, Notwendigkeit ist es also, die jede Art von Barbarei rechtfertigt. Ambrosius zu zerfetzen wie das Kaninchen im Hunderennen war demnach auch eine Notwendigkeit.«
    »Mach die Toten nicht besser, als sie im Leben je waren, Francis. Natürlich haben wir deine Brüder und Schwestern gemeuchelt. Aber Ambrosius schuf diese blutdurchdrungene, archaische Atmosphäre und den Kult. Er verpaßte uns diese mittelalterlichen Namen und tat so, als existiere der Schwarze Ritter tatsächlich und sei eine Gottheit, die wir verehren müßten. Er war so verrückt, daß er die Maskerade, die er inszenierte, selbst für bare Münze hielt. Er suggerierte uns, daß wir auserwählte Tiere wären und aus diesem Grund ein Recht hätten, über Leben und Tod anderer Tiere zu entscheiden. Ambrosius hat uns zum Morden nicht angehalten. Das ist wahr. Doch er hat uns dabei in jeder

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