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Felidae 2 - Francis: Ein Felidae-Roman

Felidae 2 - Francis: Ein Felidae-Roman

Titel: Felidae 2 - Francis: Ein Felidae-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Akif Pirinçci
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fiel schon der nächste Schuß. Das Projektil versengte diesmal ein kleines Büschel Haare in meinem linken Flankenfell, und bevor ich den Entscheidungsfindungsprozeß weiter vertiefen konnte, rannte ich auf das hell leuchtende Loch zu, als habe man mir rektal eine heiße Nadel eingeführt. Der Jäger feuerte derweil ungerührt weiter, doch ich kümmerte mich nicht mehr darum, war nur noch davon besessen, das Tor zur lichten Rettung zu passieren.
    Als ich endlich im Bauch des Busches verschwand und auf der anderen Seite wieder herauskam, machte ich die Crash-Bekanntschaft mit einer Realität, die mir bis dahin völlig fremd geblieben war. Das heißt, selbstverständlich hatte ich solche Beton gewordenen Torheiten des Homo sapiens schon gesehen, aber niemals im wirklichen Leben, sondern immer nur als behauptetes Schreckensszenario, das in einschläfernder Regelmäßigkeit über die Mattscheibe geflimmert war. Eine sechsspurige, vor blitzblanker Sauberkeit strotzende Autobahn war es, die nun meine allmählich wieder klarer werdenden Augen erblickten, ein metallener Fluß ohne einen bestimmten Anfang und ohne ein bestimmtes Ende, in sinnentleerter, zwanghafter Bewegung. Nanu, wähnte ich mich nicht noch vor ein paar Minuten in Arkadien? Deprimiert mußte ich jetzt feststellen, daß im Garten Eden eine fröhliche Schießstandatmosphäre herrschte und daß, wollte man dieser entfliehen, gemeingefährliche Blechungeheuer nur darauf warteten, jeden Deserteur platt zu machen. Eine Falle par excellence!
    Ich stellte mich auf die Hinterbeine, lehnte mich gegen die Leitplanke und betrachtete für einen Moment den dröhnenden Strom. Ganz offensichtlich hatten die Erbauer dieses Machwerks auch nicht für einen Augenblick in Erwägung gezogen, daß sich in dieser wunderwollen Landschaft außer Autofahrern auch mal andere Lebewesen aufhalten könnten. Denn wie ein Vierbeiner diese Höllenstraße mit den konstant hin- und herschießenden Brummern überqueren sollte, ohne sich in rotschimmernde Eingeweidenpastete zu verwandeln, war ein Rätsel und deutete auf einkalkulierten Massenmord hin. Ich fragte mich, wo diese Wagen alle hinfuhren - oder kamen sie gerade von irgendwoher zurück? Dabei fiel mir ein blöder Spruch ein: »Überall ist was los, wo wir nicht sind.« Nach dem Motto handelten die Menschen wohl, und wie hypermobile Sisyphusse fuhren sie dem Glück immer und immer wieder hinterher, ohne es jemals auch nur zu streifen. Irgendwie glich es dem Unterfangen, den Regenbogen zu durchqueren.
    Die folgende Kugel traf die Leitplanke und schmetterte mit einem nervenzerreißenden Kreischen ab. Der Busch hinter mir war für den Schützen demnach keineswegs - wie von mir erhofft - eine Sichtsperre, sondern im Gegenteil eine ideale Leinwand, auf der das Sonnenlicht mich als Silhouette abbildete. Aufgepeitscht durch den Schreck, sprang ich ohne nachzudenken auf die Straße und preschte los. Ich hatte kaum damit gerechnet, daß die rasenden Bestien meinetwegen anhalten und mich freundlich vorbeiwinken würden. Doch glaubte ich oft gehört zu haben, daß selbst der geschwindigkeitsberauschteste Motormacho beim Anblick eines plötzlichen Hindernisses rein reflexartig auf die Bremsen steigen würde. Alles Lüge! Ein Lastzug donnerte voll Karacho auf mich zu, und bevor ich überhaupt wußte, wie mir geschah, wälzte er sich schon mit seinen Hunderten von Tonnen über mich hinweg wie ein entgleister Güterzug. Den Körper platt wie eine Flunder auf den Asphalt gepreßt, verharrte ich in Reglosigkeit, von der geistigen Umnachtung lediglich durch eine hauchdünne Membrane getrennt. Nach dem Wegrauschen des Kolosses versuchte ich in wildem Sprint auf das Mittelstück der Straße zu gelangen. Doch da überraschte mich ein »kleiner Flitzer«, der gerade im Begriff war, den Lastwagen zu überholen. Das Abbild dieses Ungetüms auf Rädern brannte sich in meine Netzhaut wie jenes des wutschnaubenden Stiers in das Auge des unvorsichtigen Toreros. Es war eine wunderschöne Maschine, blutrot, lackglänzend, voll unbändiger Kraft, geformt wie das Ei eines stählernen Sauriers. Und als ich so dastand, versteinert vor Schauder und Ehrfurcht, den Blick fest auf meinen Vollstrecker gerichtet, wußte ich plötzlich mit unerschütterlicher Gewißheit, daß dieses vollkommene Meisterwerk der Ingenieurskunst der leibhaftige gefallene Engel war, besessen davon, Gottes Schöpfung auf die brutalste Art und Weise zu vernichten. Ich hielt den Atem an, wohlwissend,

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