Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Felidae 2 - Francis: Ein Felidae-Roman

Felidae 2 - Francis: Ein Felidae-Roman

Titel: Felidae 2 - Francis: Ein Felidae-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Akif Pirinçci
Vom Netzwerk:
das Leben die selbstverständlichste Sache der Welt, dagegen für die, die dem Tod jeden Tag die Hand schütteln, eine seltene Ausnahme von der Regel. Wir kämpfen für diese Ausnahme, und ich hoffe, du kämpfst mit uns, lieber Freund.«
    Während er diese mahnenden Worte sprach, hatte Safran den Kopf verdächtig schräg gehalten, so daß der von draußen in die Röhre schießende Sonnenstrahl geradewegs seinen rechten Ohrring traf. Das glühend leuchtende Gold reflektierte das Licht, welches mich stark blendete und in eine magische Versunkenheit versetzte. Ich vermochte ihm keine Absicht zu unterstellen, da er die exakte Position meiner Augen nicht kennen konnte. Aber andererseits hatte ich es hier nicht mit vollgefressenen Sesselfurzern zu tun, denen jeder instinktive Kniff abging. Wer in solch einer unwirtlichen Umgebung tagtäglich mit ungewöhnlichen Situationen fertig werden mußte, wußte sicherlich auch ungewöhnliche Methoden anzuwenden. Jedenfalls zeugte die Praktik, mich durch suggestives Blendwerk auf die detektivische Mission zu verpflichten, von einer nicht zu unterschätzenden Raffinesse.
    Anschließend neigte sich der Schmuddel-Goliath zu mir und gab mir den Bruderkuß, indem er seine Nase zart gegen die meine rieb. Für eine dermaßen einzelgängerische Art wie die unsrige ist diese intime Geste das ultimative Zeichen von Vertrauen und Herzlichkeit und entspricht etwa, nun ja, sagen wir mal, dem Verleihen der Kreditkarte bei Menschen.
    »Ich werde mir die größte Mühe geben, das blinde Volk nicht zu enttäuschen, Safran«, beteuerte ich. »Wenn der geniale Detektiv allerdings eines Tages in Fäkalia-Venezia ohne Kopf angespült werden sollte, wißt ihr, daß Hugo und Hund sich einer Inhaftierung durch unfaire Mittel entzogen haben. Gott schütze euch!«
    Ich wandte mich ab und wollte aus dem Loch herauskriechen, als eine Pfote sanft meinen Rücken berührte. Daraufhin drehte ich mich wieder um und sah unmittelbar in Nigers strahlend weiße Augen. Man konnte ihrem zerknirschten Gesicht förmlich ablesen, daß sie sich damit quälte, mir im Moment des endgültigen Lebewohls doch noch einige versöhnende Worte zuzuflüstern. Aber bevor sie sich zu einem derartigen Gesichtsverlust herabließ, ergriff ich die Initiative und rieb meine Nase gegen die ihrige. Sie erwiderte die Zärtlichkeit, und parallel damit wurde mir schlagartig die Erkenntnis zuteil, wie sehr wir doch das Opfer von Umständen sind. In einer anderen Umgebung und unter anderen Gegebenheiten wäre unsere Begegnung radikal anders verlaufen, ja vielleicht hätten wir dann sogar ein Paar werden können. In einer anderen Zeit, in einer anderen Welt, Niger, sprach ich im Geiste zu mir selbst. Alles wäre anders gekommen ... Und während ich noch mit der Bewältigung dieser unerträglichen Schwermut kämpfte, wußte ich plötzlich mit unerschütterlicher Gewißheit, daß ich sie, Niger, Safran und all die anderen Blinden sehr bald tatsächlich wiedersehen würde - doch in einer anderen Zeit, in einer anderen Welt ...

Viertes Kapitel
     
     
    Ein neues Leben, ein zweites Leben! Das alte, verbrauchte, schiefgelaufene hinter sich lassen und ein vollkommen neues beginnen: Wer von uns träumte nicht von solch einer großartigen Chance. In der Tat erlag auch ich dieser Illusion, als ich durch das Rohr in die Freiheit entschlüpfte. Das euphorische Gefühl des Neubeginns wurde dadurch verstärkt, daß die Szenerie, die mich empfing, an urwüchsiger Anmut ihresgleichen suchte. Der Rohrausgang lag am Fuße eines kleinen Erdhügels unmittelbar neben einem romantisch plätschernden Bach, über den eine umgestürzte Esche als natürliche Brücke gespannt war. Der Bach wand sich wie eine müßiggängerische Schlange durch einen atemberaubend schönen Auenwald. Das Unwetter der vorangegangenen Nacht schien auf einmal nur noch ein düsterer Spuk gewesen zu sein, denn die Sonne durchdrang mit ihren Strahlen so leuchtend und hell den dichten Blütenteppich, als sei sie zwischenzeitlich generalüberholt worden. Die Feuchtigkeit des Regengusses hatte hauchdünne Dunstwolken entstehen lassen, die einen Schleiertanz um die knospenden Äste veranstalteten. Myriaden von Schmetterlingen und Bienen schwirrten wie Konfetti eines Festgeflitters fröhlich durcheinander; Stare und Nachtigallen zwitscherten um die Wette, als qualifizierten sie sich für einen Plattenvertrag.
    Wie betäubt taumelte ich in dieses Meer aus Licht, Chlorophyll und schwindelerregender

Weitere Kostenlose Bücher