Hermann Hesse Sein Leben und sein Werk
Hugo Ball
Geb. 22.2.1886 Pirmasens; gest. 14.9.1927 Sant'Abbondio/Tessin.
Ball wuchs in gutbürgerlichen Verhältnissen einer streng katholischen
Familie auf, brach die Lehre in einem Ledergeschäft ab, holte das
Abitur nach und studierte 1906-10 Germanistik, Soziologie und
Philosophie in München und Heidelberg. Seine Dissertation über
Nietzsche schloß er nicht ab, überwarf sich mit seinen Eltern und
ging nach Berlin an Max Reinhardts Schauspielschule. 1911/12
arbeitete er als Dramaturg in Plauen, 1912-14 an den Münchner
Kammerspielen. Er verhalf Wedekind zum Durchbruch auf der
Bühne, führte selbst Regie, war Mitarbeiter von Zeitschriften und
Lektor verschiedener Theaterverlage. Gemeinsam mit Kandinsky
plante er einen Almanach als Ergänzung zum »Blauen Reiter«, das
Projekt scheiterte am Kriegsausbruch. Da man ihn für
kriegsuntauglich erklärte, ging er nach Berlin, wo er für Zeitschriften
arbeitete, sich mit revolutionärem Anarchismus beschäftigte und
Kontakte zur literarischen Avantgarde pflegte. Im Mai 1915
emigrierte er nach Zürich; er schrieb wieder für Zeitschriften und
tingelte mit einem Varieté-Ensemble als Klavierspieler und Texter
durch die Schweiz. Im Februar 1916 gründete er mit Hans Arp,
Tristan Tzara und Marcel Janco in Zürich das »Cabaret Voltaire«, die
Wiege des Dadaismus; er zog sich aber bald wieder aus dem Kreis
der aktiven Dadaisten zurück und arbeitete 1917-20 als Mitarbeiter,
schließlich als Verlagsleiter der »Freien Zeitung«, wo er politische
Tageskommentare und kritische Beiträge verfaßte. Nach dem Ruin
des Verlages verlor er das Interesse an der politischen Aktion,
widmete sich einem streng orthodoxen Katholizismus und studierte
die alten Mystiker. Vortragsreisen führten ihn durch Deutschland und
die Schweiz. Nach seiner Heirat 1920 wohnte er, unterbrochen von
Italienaufenthalten, im Tessin, wo er enge Freundschaft mit
Hermann Hesse schloß. Er schrieb für die katholische Zeitschrift
»Hochland« und befaßte sich mit dem Exorzismus als einer Form
frühchristlicher Psychotherapie.
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Inhalt:
Das Vaterhaus
Seite 4
Die Kindheit
Seite 16
Kloster Maulbronn
Seite 33
Tübinger Goethestudien
Seite 51
Hermann Lauscher und Peter
Camenzind
Seite 64
Gaienhofen am Bodensee
Seite 79
Demian
Seite 96
Siddhartha
Seite 113
Klingsors letzter Sommer
Seite 132
Kurgast und Steppenwolf
Seite 150
3
Das Vaterhaus
Hermann Hesse ist geboren am 2. Juli 1877 in dem
württembergischen Städtchen Calw an der Nagold. Beide Eltern
waren nicht Schwaben von Geburt. Johannes Hesse, der Vater des
Dichters, war seinen Papieren nach russischer Untertan, aus
Weißenstein in Estland; seine Familie kam dorthin aus Dorpat und
hat baltisches Gepräge; der älteste nachweisbare Familienahn kam
aus Lübeck und war hanseatischer Soldat. Die Mutter des Dichters,
Marie Gundert-Dubois, Tochter von Dr. Hermann Gundert-Dubois,
wurde als Missionarstochter geboren in Talatscheri (Ostindien). Dem
Blute und Temperamente nach kommt ihre Mutter, eine geborene
Dubois, aus der Gegend von Neuchâtel und aus calvinistischer
Winzerfamilie.
Die von dem hanseatischen Soldaten Barthold Joachim stammenden
Hesses (Vater und Sohn) zeigen einen schmalen, eher schmächtigen
Typus von zartem Gliederbau; sie haben blaue, scharfe Augen und
helles Haar; angespannte, habichtartige Gesichtszüge und in der
Erregung spitzige, rückwärtsfliehende Ohren. Sie zeigen gefaßte
Haltung, bei seelischer Berührung Schüchternheit, die sich
überraschend in jähen Zorn wandeln kann; zähes, stilles, geduldig
zuwartendes Wesen und Neigung zu einer edlen, ritterlichen
Geselligkeit. Die Dubois (Mutter und Tochter) sind klein und schmal
von Statur. Sie haben engsitzende, feurig-dunkle Augen; lebhaftes,
nervöses, sanguinisches Temperament. Sie sind religiös verschwärmt
und von innerer Glut verzehrt: heroische Frauen in ihren Vorsätzen
und Zielen, in ihrer Hingabe und Leidenschaft; hochgemut bis zum
Empfinden ihrer Überlegenheit und ihres Isoliertseins, milde aber
und gütig in ihrem Werben um die ihnen Anvertrauten, worunter sie
keineswegs nur die eigene Familie verstehen, sondern weit darüber
hinaus die Familie der Menschenbrüder und -schwestern, die
Gemeinde der gleich ihnen Opferbereiten, der Auserwählten und
Heiligen.
Beide Großväter des Dichters, von Vater- und von Mutterseite,
tragen den Vornamen Hermann, und es dürfte schwer
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