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Felidae 2 - Francis: Ein Felidae-Roman

Felidae 2 - Francis: Ein Felidae-Roman

Titel: Felidae 2 - Francis: Ein Felidae-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Akif Pirinçci
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untergehenden Sonne zugewandt, so daß ich lediglich in den optischen Genuß seines kolossalen Hinterns gelangen konnte. Scheinbar war er in der milden Wärme des Abendrotes eingeschlafen - oder durch die Folgen des üppigen Mittagsmahles einer grausamen Furzattacke erlegen. Ein Indiz dafür, daß es an diesem Ort auf ein zu stopfendes Maul mehr oder weniger nicht ankam. Der zweite vermeintliche Mäusetöter, ein Buntgescheckter, stellte für einen Bedürftigen wie mich eine einzige Provokation dar. Dieser lag nämlich auf einem riesigen, ausrangierten Weinfaß gleich neben dem Eingang des Bauernhauses auf dem Rücken, ebenfalls der Sonne entgegengewandt. Die Segnungen des Schlafes hatten ihn offenbar regelrecht besoffen gemacht, denn seine Pfoten waren halb angewinkelt emporgestreckt, wie es besonders Kindische unserer Art tun, wenn sie von ihren Besitzern am Bauch gekrault werden. Der Kopf war über den Rand des Fasses nach hinten gekippt, so daß er mir verborgen blieb. Von dem dritten Artgenossen konnte ich lediglich die Hälfte seines kohlschwarzen im Sphinxsitz ruhenden Leibes erkennen, da sein Vorderteil hinter dem rechts gelegenen Schuppen verschwand. Die Besitzer dieser idealen Werbeszenerie für Zigaretten mit dem Teergehalt einer Dampflokomotive schufteten offenbar noch auf ihren Feldern, denn außer einem zerrissenen Förderband für die Kartoffelernte war auf dem Hof kein anderes Landwirtschaftsgerät zu sehen. Die Gelegenheit war also günstig, die Gastfreundschaft der Landbevölkerung auf die Probe zu stellen, auch wenn hier und da ein paar wirkungsvolle Krallenhiebe nachhelfen mußten.
    Als meine Pfoten auf die blankgewetzten Pflastersteine aufsetzten, witterte ich einen penetranten Geruch, den ich jedoch nicht wie üblich in Sekundenschnelle identifizieren konnte. Die Müdigkeit, die sich wie Brei in meinen Nervenbahnen ausbreitete, bewirkte die ersten Beeinträchtigungen des empfindlichen Sinnesapparates. Während ich mich en passant mit der Frage nach der Quelle dieses abstoßenden Gestanks beschäftigte, näherte ich mich von hinten dem aufgeblähten Brummer, wild entschlossen, auf die artspezifischen unterwürfigen Annäherungsgepflogenheiten zu pfeifen. Meine Güte, den Kerl benützten sie wahrscheinlich als Waagegewicht, um Schweine abzuwiegen. Die Apfelsinensonne war derweil vollkommen in der Versenkung verschwunden und hatte einen atemberaubenden Himmelsdom hinterlassen, der das Bauernidyll in ein schrillrotes Varietélicht tauchte. Etwas sonderbar fand ich es schon, daß die Pennbrüder mein Eindringen in ihr Reich noch immer nicht registriert hatten; wie sollten sie bei diesem miserablen Frühwarnsystem ihren Pflichten als Nagerterminatoren gerecht werden? Vielleicht war Alraune ihre Verachtung gegenüber den bequemen Bauernknechten nicht zu verdenken. Ich war unterdessen nur noch einen Meter von dem Fettkloß entfernt, als der stechende Mief an Intensität um eine Zehnerpotenz zunahm. Also wirklich, jetzt könnte der Knabe sich zumindest umdrehen und mir irgend etwas Unflätiges an den Kopf schmeißen. Und dieser widerliche Gestank - war es Gülle? Oder eine chemische Substanz, mit der man das Vieh um das Doppelte seines Körpervolumens aufblies? Oder ...
    Blut! Eine Lache von Blut, halb geronnen, Fliegenschwärme tränkend, einige der Unersättlichen ertränkend. Der Dicke lag mitten in seinem eigenen Lebenssaft oder besser gesagt, in dem, was einmal sein Lebenssaft gewesen war, und das Fell hatte sich damit vollgesogen. Der gruselige Sachverhalt war von der Ferne nicht zu erkennen gewesen, weil die Saugwirkung des Haarkleides lediglich einen flüssigen Rand um das Opfer übriggelassen hatte, sozusagen einen Wassergraben um die mächtige Burg. Jetzt allerdings bemerkte ich, daß das Blut sich bis zum Rücken hochgearbeitet hatte. Auch hier waren tiefe Wunden zu sehen, aus denen noch unlängst Blutfontänen herausgeblubbert waren. Als ich um den Wohlgenährten herumschlich, um sein Gesicht zu betrachten, explodierte der nächste Horror. Ihm waren beide Augen ausgekratzt worden, so daß das Augapfelgelee bis zum Maul zerlaufen war und dabei in den Nasenfurchen eine gelbliche Spur hinterlassen hatte. Ich beugte mich zu ihm herunter, um die Wunden zu beschnüffeln. Dabei berührte meine Nase versehentlich seinen Kopf, der sich daraufhin wie eine reife Frucht vom Hals löste, auf den Boden kullerte und mich mit den Speise- und Luftröhrenfransen wie eine zerbissene Blutwurst angrinste.

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