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Felidae 3 - Cave Canem: Ein Felidae-Roman

Felidae 3 - Cave Canem: Ein Felidae-Roman

Titel: Felidae 3 - Cave Canem: Ein Felidae-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Akif Pirinçci
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mich, warum ich trotzdem mit diesem Elefantenmensch mit Mäusegrips zusammenlebe, so antworte ich, fragen Sie mich was anderes! Ich wurde in diese furchtbare und schöne Welt hineingeboren, und statt der Krone der Schöpfung ins Antlitz zu blicken, blickte ich unscharf auf Wurstfinger, welche mir ein Schälchen Milch vor die Nase stellten. Ich sah kunterbunte Socken wie bei einem Zirkusclown, aufgeplatzte Filzpantoffeln, die süßlich muffelten, und Hosenbeine fast so voluminös wie Fabrikschornsteine. Ein Gesicht beugte sich auf mich herab, kürbisgroß und voller Güte, und da ich ein Waisenknäblein war und mutterseelenallein und meine Äuglein eben erst geöffnet hatte, dachte ich in meiner grenzenlosen Unschuld, daß die Gesellschaft eines gütigen Kürbiskopfes der Gipfel der irdischen Beglückungen wäre. Es war also Prägung der archaischen Art; ich konnte mich dagegen nicht wehren!
    Freilich wäre es unfair, im nachhinein zu behaupten, daß meine ambivalente Beziehung zu Gustav auf reiner Prägung beruhte. Nein, uns verbindet obendrein eine so amorphe wie zwielichtige Errungenschaft, die viele Leute miteinander verbindet, welche den lieben langen Tag nichts Gescheites zu tun haben: Kultur! Beim Kerzenlicht der göttlichen Callas lauschen oder Stunden über Stunden ein gutes Buch lesen, er in seinem ramponierten Ohrensessel, ich auf seiner Schulter. Jawohl, Gustav und ich sind uns einig, daß es göttliche Sphären gibt, deren Er uns über Auserwählte teilhaftig werden läßt.
    Sagte da jemand, daß ich - Freud sei uns gnädig! - »unbewußt« pseudoschlüssige Gründe vorschiebe, um nur nicht gestehen zu müssen, daß ich in Wahrheit Gustav liebe? Nun, wie kann man jemanden lieben, der liegend aussieht wie ein gestrandeter Wal und gehend wie ein gestrandeter Wal, der zu gehen versucht. Wie? Ganz einfach, indem man die Vorzüge zu schätzen lernt. Das kleine Leckerli, das er mir während des Essens unter dem Tisch zuzustecken pflegt, die Streicheleinheiten, die mein Fell so dringend braucht, und das Heim, das er mir im ganz und gar biblischen Sinne gewährt, und so weiter und so fort. Alles hat seine Vor- und Nachteile, wie der Alltagsphilosoph sagt. Oder, um mit einem Profi aus dieser Gilde, nämlich meinem guten alten Schopenhauer, zu sprechen: »Eine Gesellschaft Stachelschweine drängte sich an einem kalten Wintertage recht nahe zusammen, um durch die gegenseitige Wärme sich vor dem Erfrieren zu schützen. Jedoch bald empfanden sie die gegenseitigen Stacheln; welches sie dann wieder voneinander entfernte.«
    Wir wohnten in einem wunderschönen Altbaugebiet der Stadt, bloß daß der Altbau so aussah, als hätte er das Wörtchen »alt« bierernst genommen. Gustav und sein schrulliger Freund Archie, der ein Stockwerk über uns residierte, hatten das Gründerzeitgebäude vor Jahren einer Renovierung unterzogen. Doch der ordinäre Alterungsprozeß und chronische Geldnot hatten die prachtvolle Stuckfassade mit den entzückenden Erkern und klassizistischen Konsolenfenstern in die geronnene Fratze einer Diva verwandelt, deren einstige Laszivität nun nicht einmal mehr zu erahnen war. Kaum anders sah es drinnen aus. Daß unsere eigene Behausung unter den Fotografen der Zeitschrift »Atrium« nicht gerade als Geheimtip galt, verwunderte niemanden. Im Gegenteil, wenn diese je einen Wettbewerb mit dem Titel »Leute, die wegen ihres schlechten Geschmacks erschlagen gehören« ausgeschrieben hätten, hätte Gustav mit links den ersten Preis eingeheimst. Schließlich wurde sein Klosettdeckel von einem lindgrünen Frotteeüberzug verhüllt - Sie verstehen? Und mit dem Rest sah es nicht anders aus.
    Das hölzerne Treppenhaus glich mittlerweile der Kulisse einer Horrorfilm- Parodie. Düster, abgewetzt, spinnwebenverhangen und morsch auf jedem Quadratzentimeter, dazu ein Knarzen und Stöhnen bei jedem Tritt, selbst einem leichtpfotigen, wie er mir zu eigen ist. Archie, ein Dummerjan von Gottes Gnaden, der jedem modischen Trend hinterher hechelt, als hätten ihn sämtliche Werbeagenturen dieser Welt einer Gehirnwäsche unterzogen, war dagegen in Sachen Wohnkultur noch ein Lichtblick. Aber wie allen Leuten, von denen man gerne mal wüßte, womit sie eigentlich ihren Lebensunterhalt verdienen - sie selbst wüßten es in der Tat auch ganz gerne -, blieb auch Archie nichts anderes übrig, als seinem erlesenen Geschmack durch optische Onanie in Ambiente-Magazinen zu frönen und den gemächlichen Verfall über sich ergehen zu

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