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Felidae 3 - Cave Canem: Ein Felidae-Roman

Felidae 3 - Cave Canem: Ein Felidae-Roman

Titel: Felidae 3 - Cave Canem: Ein Felidae-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Akif Pirinçci
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genau im Auge behielt. Je näher ich meinem Ziel rückte, desto deutlicher sah ich, daß die Erde auf der Anhöhe ziemlich erodiert und die Oberseite des Rohrs bereits ein wenig freigelegt war. Der Geheimgang würde also nicht mehr lange geheim bleiben. Auf den sichtbaren Teilen des Rohrs hatten sich beachtliche Risse und kleine Löcher gebildet, so daß ich drinnen nicht gänzlich auf Licht würde verzichten müssen. Doch ich mußte mich beeilen. Die letzten Strahlen der untergehenden Sonne wurden immer schneller von der Dunkelheit verschluckt, bald würde es zappenduster sein.
    Nachdem ich das Pflanzendickicht beiseite geschoben hatte, betrat ich die Röhre. Sie hatte etwa den Durchmesser eines Motorrollerrads, und ich konnte mich bequem darin bewegen, ohne Kriechkunststücke vollführen zu müssen oder mir Kratzer und Quetschungen zuzuziehen. Zunächst konnte ich kaum etwas erkennen, doch da meinesgleichen, was abrupte Helligkeitswechsel angeht, optische Chamäleons sind, gewöhnten sich meine Pupillen schnell an die neuen Lichtverhältnisse. Hilfreich waren auch die rötlichen, staubflirrenden Lichtlanzen, welche durch die schadhaften Stellen der Röhre schossen. Doch kaum konnte ich etwas sehen, traf mich ein anderer Eindruck wie ein Hieb. Ein süßlich abscheulicher Gestank explodierte in meiner hochempfindlichen Nase gleich einer Giftgranate, nachdem ich in den Tunnel eingetaucht war. Er ließ sich nicht irgendeiner üblichen Quelle zuordnen, die an solchen unterirdischen, bedingt luftdurchlässigen und von Ungeziefer bevorzugten Orten mit der Absolutheit eines Naturgesetzes entstanden. Nein, dieser üble Geruch schien geradewegs der Giftküche des Hades zu entstammen und wirkte auf meine angespannten Nervenzellen wie der Kontakt mit einem Starkstromkabel. Außerdem irritierte mich, daß am Ende der Strecke nicht der leiseste Anflug eines Lichtschimmers zu sehen war, obwohl sich an jener Stelle der Belüftungsrost hätte befinden müssen. Ich tröstete mich mit dem Gedanken, daß dort wohl der dunkelste Teil des Kastens lag.
    Wie von einer höheren Kraft geleitet, kämpfte ich mich durch die endlos scheinende Röhre trotz des magenwürgenden Miefs vorwärts, allein getrieben von folternder Neugier. Aber bald half auch das nicht mehr viel, denn einerseits verspürte ich den zwingenden Drang, mich zu übergeben, und andererseits wurde es allmählich zur Gewißheit, daß ich weder auf einen Belüftungsrost noch auf einen anderen Ausgang stoßen würde, weil ich nur noch tiefste Dunkelheit vor mir sah. Leicht von Panik ergriffen, wollte ich umkehren.
    Aber da stieß ich auf ihn. Er verstopfte mit seinem zurechtgestauchten Körper die Röhre, als habe man ihn mit Brachialgewalt hineingerammt. Ein komprimiertes Bündel Kläffer mit verrenkten Gliedern und einem riesigen Kopf, der ihm in dieser grotesken Pose wie aus dem Bauch gewachsen zu sein schien. Die Augen, Gott sei Dank, geschlossen zum ewigen Schlaf. Seine Rasse war in diesem Schattenreich schwer zu bestimmen. Vielleicht ein Bloodhound, vielleicht ein Mastino, vielleicht ein Mischling. Der Verwesungsgestank war derart penetrant, daß ich allen Ernstes kurzzeitig der Illusion erlag, ich könne mir wie ein Mensch die Nase zuhalten. Die Halsgegend schmückten die bekannten, sonderbar perfekten Bisse. Daraus ausgelaufenes Blut, welches das Fell großflächig befleckt und schließlich auf dem Boden ein langes Rinnsal gebildet hatte, war zu schwarzen Krusten geronnen. Jetzt erst ging mir auf, daß ich seit dem Betreten der Röhre ohne es zu merken dieser schrecklichen Spur gefolgt war. Höchstwahrscheinlich war er seinem Mörder irgendwo draußen in die Arme gelaufen und hatte sich dann hier hineingeschleppt, um sich in einem letzten verzweifelten Kraftakt zu seiner Zufluchtsstätte zu retten. Was bedeutete, daß offenkundig nicht nur ich diesen Geheimgang kannte.
    Nach dem äußerlichen Zustand der Leiche, dem infernalischen Verwesungsgeruch und dem festgebackenen Blut zu urteilen, war der Mord bereits vor einer Woche passiert. Sonst gab es keine Spuren und Hinweise, weder auf den Mörder noch auf sein Motiv. Außer vielleicht die diffuse Ahnung, daß die ganze Tötungsserie irgendwie mit dem Heim in Verbindung stand. Mit der Erkenntnis, daß ich dieser deprimierenden Welt schon wieder ein sinnloses Geheimnis entlockt hatte, wollte ich gerade umkehren und so schnell wie möglich verschwinden, als ein letzter Dämmerungsstrahl aus einer winzigen Bruchstelle des

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