Felidae 3 - Cave Canem: Ein Felidae-Roman
über meinem Kopf am Röhrenmantel vernahm ich mit einem Male ein verstohlenes Tapsen. Einer meiner Häscher hatte die Abkürzung durch die Oberwelt genommen und würde irgendwie versuchen, von oben zu mir zu dringen. Und als hätte ich mit dieser Befürchtung das Unglück erst heraufbeschworen, hörte ich schon im nächsten Moment ein energisches Pfotengeklopfe über mir, wo die Röhrendecke bestürzender Weise auch noch ungewöhnlich viele bruchhafte Stellen aufwies.
Ich riß den Kopf nach vorne und wurde gewahr, daß das blutdurstige Empfangskomitee nur mehr zwei Menschenschritte von mir entfernt war. In den Schattengesichtern las ich Erschöpfung, in den Blicken Erstarrung und in dem Gang etwas Würdevolles wie bei einem Geleit. Kein Zweifel, diese finsteren Höllenköter verstanden etwas vom Tod, er schien ihre Profession zu sein, weshalb sie denn die ganze Sache auch mit Respekt behandelten. Ohne hinter ihr Motiv gekommen zu sein, glaubte ich die Mörder nun gefunden zu haben. Das Tragische war nur: sie mich auch!
Etwas zerbrach, und Scherben regneten auf meinen Kopf nieder. Ich schaute nach oben, um voller Entsetzen festzustellen, daß der Unhold aus der Oberwelt mit seinem beharrlichen Geklopfe ein untertellergroßes Loch in die Röhre geschlagen hatte und bereits mit seiner Monsterpranke nach mir haschte. Dann wieder ein fahriger Blick nach vorn. Der vorderste der mörderischen Kanalarbeiter stand inzwischen so nah bei mir, daß wir uns beinahe küssen konnten. Er sah aus wie ein schwarzer Drache, der jeden Augenblick das Maul zum Feuerspeien öffnen wird. Für einen Sekundenbruchteil sah ich an seinem Hals ebenfalls eine Militärerkennungsmarke aufblitzen. Und tatsächlich öffnete er jetzt das Maul, jedoch weniger, um Feuer zu speien, als vielmehr mir das Lebensfeuer zu nehmen.
Er kam leider zu spät. Der da oben hatte bereits seine Schnauze durch die Bruchstelle gestoßen und mich mit seinen Hauern am Nackenfell gepackt. Ich wurde blitzartig hochgerissen, und das letzte, was ich in dem Stinktunnel sah, war das dumme Gesicht des Todesdrachen.
Sobald ich oben war, sprintete mein Träger los, wobei ich wie ein Klammerbeutel an seinem Maul hing und mächtig hin und her geschleudert wurde. Vermutlich fahndete er nach einem gemütlichen Plätzchen, wo er mich ohne lästige Mitesser ganz allein herunterschlingen konnte. Um so mehr versetzte es mich in Erstaunen, daß er den Kurs direkt in mein Viertel einschlug. Ich hätte ihm gern erklärt, daß er dort viel eher Gefahr lief, gesehen zu werden, wie er die alten Knochen des allseits bekannten Francis verspeiste, als hier in der Walachei. Doch dafür wurde ich einer zu heftigen Schüttelkur ausgesetzt und der Häuser-und-Gärten-Film flog viel zu schwindelerregend an uns vorbei.
Dann bemerkte ich den üblen Geruch. Jenen, der mir verdammt bekannt vorkam. Er entströmte seinem Maul, ja seinem ganzen Körper wie Narkosegas. Obgleich das wilde Geschüttele und das Ziehen an meinem Nacken mich inzwischen genau in den Zustand versetzt hatten, den dieses Gas auslöst, klingelte es in meiner Birne Alarm, und ich wurde von Zorn gepackt.
»Stopp!« schrie ich. »Stopp, oder ich erzähle deinen Leuten, daß du einem Mäusequäler das Leben gerettet hast!«
Das saß, und Hektor setzte mich pflichtschuldigst auf einer Mauer nahe Gustavs Domizil ab. Seine Schäferkläffer-Visage, trotz der Bejahrtheit rassebedingt ein nie abflauendes Staunen, wirkte nach der Anstrengung wie im Sonnenschein zerlaufenes Wachs. Seine hechelnde Zunge berührte beinahe den Boden. Mittlerweile war es Abend geworden, und die hellerleuchteten Fenster und Wintergärten im Rückfassadenkarree glichen Lampiongirlanden bei einem Sommerfest.
»Kannst du mir vielleicht verraten, was diese Aktion soll?« brauste ich auf, obwohl ich die Antwort zu kennen glaubte.
»Man hat mich hinter dir hergeschickt«, sagte Hektor aus vollem Halse keuchend. »Und ich folgte dir im gebührenden Abstand, damit du eine Weile allein mit deinen Gedanken sein konntest.«
»Wie feinfühlig von dir. Hat dir das der Polizist auf dem Abrichtplatz beigebracht, dem du an den gepolsterten Arm springen mußtest?«
»Gegenfrage: Glaubst du, du könntest jetzt noch deinem Mutterwitz frönen, wenn die Gentlemen dort unten sich deiner für fünf Sekunden angenommen hätten?«
»Der Punkt geht an dich. Hast du gewußt, daß da im Loch ein Artgenosse von dir den Weg blockiert? Sieht so niedlich aus wie Ötzi. Als ich ihn fragte,
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