Felidae 3 - Cave Canem: Ein Felidae-Roman
sich darin herum, war keine Erfindung von mir gewesen. Natürlich hatte dieser Hinweis vorzüglich dazu gedient, mein detektivisches Genie auf die schnelle unter Beweis zu stellen. Eine Lüge war das allerdings nicht gewesen. Aber auch keine funkensprühende Lunte, die zwingend zu den Morden geführt hätte. Nein, meine zufälligen Beobachtungen der letzten Monate waren nicht mehr als das, was sie nun einmal waren: reine Beobachtungen.
Vielleicht wäre es sinnvoll, in der Nähe des Heims ein bißchen herumzuschnüffeln, ohne ein bestimmtes Ziel vor Augen zu haben. Denn wer sagte, daß ich einen bis in die letzte Klausel ausgehandelten Auftrag dieser Politclowns benötigte, um in dieses Geheimnis einzudringen? Meine krankhafte Neugier war Auftraggeber genug. Also los!
Die Gegend wurde noch trostloser. Die Mauern hörten auf, nur noch wenige Häuser lagen am Weg. Ich stakste kahle Hügel hinab, welche fruchtlose Bauarbeiten hinterlassen hatten, durchquerte wildwucherndes Gestrüpp, streifte an zu Gerippe verrosteten Autowracks vorbei und stieg verdorrte Kuhwiesen hinauf. Kurvige Autobahnüberführungen erschienen als purpurn schimmernde Silhouetten am Horizont. Dann endlich tauchte das Ziel vor mir auf.
Es sah aus wie ein Konzentrationslager in Pygmäenformat. Haushohe Gitterzäune und Betonwälle mit dem Charme, den ehemals die Berliner Mauer verströmt hatte, damit kein Tierüberdrüssiger seinen Liebling in der Nacht heimlich in das »Entsorgungslager« werfen konnte. Es gab sogar so etwas wie einen Wachturm, der einsam und finster in die Dämmerung ragte und bei dem es sich in Wahrheit um das Verwaltungsbüro handelte.
Es hatte einmal eine Zeit gegeben, da hatte der Laden völlig anders ausgesehen, eher wie eine kleine Farm. Ich kann mich daran erinnern, daß wir damals im Revier ziemliche Schwierigkeiten hatten auseinanderzuhalten, wer Heiminsasse war und wer zu uns gehörte, denn die schadhaften Holzzäune hinderten niemanden daran, einfach hinauszuschlüpfen und das Lüftchen der Freiheit zu atmen. Abends ging dann jeder wieder in sein eigenes Zuhause, und so hatte alles seine Ordnung.
Die sorglosen Tage nahmen ein Ende, als die Menschen anfingen, ihre tierischen Hausgenossen einerseits bis zur Vergötterung zu verehren, andererseits paradoxerweise wie bloße Gegenstände zu behandeln. Es wäre ein Gebot der Fairneß, hier anzumerken, daß es sich dabei nicht um ein und dieselben Menschen handelte. Doch weiß man's? Im Laufe der Jahre wurden immer mehr Tiere über den Zaun geschleudert, meist noch sehr junge und vornehmlich nach Weihnachten sowie in der Urlaubssaison. Außerdem nahm die Zahl derer zu, die durch Vernachlässigung nur noch dahinvegetieren konnten, ebenso wie jene, die mit Folterverletzungen in dieses zweifelhafte Refugium überführt wurden, nachdem man sie ihren lieben Herrchen oder Frauchen mit Polizeigewalt entrissen hatte. Irgendwann gab es in dem Karton ein solches Gedränge und draußen einen derartigen Auflauf von herrenlosen Viechern, daß Nachbarn sich beschwerten. Es erschien aber ohnehin vernünftig, die Stätte zu erweitern und überhaupt der Einrichtung namens »Tierasyl« ein zeitgemäßes Outfit zu verleihen. Und so sah das Ergebnis dann auch aus.
Der Turm zu Orwell galt als aus- und einbruchsicher. Nur Eingeweihte wie ich, welche die damaligen Bauarbeiten mitverfolgt hatten, wußten von einem geheimen Schlupfloch. Es war ein aus biblischen Tagen stammendes Abflußrohr, welches die Bauarbeiter entweder übersehen oder dessen Beseitigung sie für zu aufwendig erachtet hatten. Es schlummerte unter einer Anhöhe mit sehr niedrigem Gefälle am Fuße des Heimes. Den Ausgang verhüllte inzwischen vulgäres Pflanzengeschlinge. Seine ehemalige Funktion hatte es natürlich längst verloren, doch so weit ich mich entsinnen konnte, führte es ziemlich weit in das Innere der Anlage und endete an einem Bodenlüftungsrost. Freilich dachte ich nicht im Traum daran, drinnen Erkundungen auf eigene Faust anzustellen. Es war nämlich denkbar, daß mich dabei die menschlichen Samariter ausgemacht, mit einem der Hilfesuchenden verwechselt und gleich dabehalten hätten. Meine Absicht war vielmehr, das Treiben von unten durch den Rost in Ruhe zu betrachten, ihn im äußersten Falle ein bißchen hoch zu lupfen und meinen Kopf zwecks eingehender Beobachtung durchzuschieben.
Ich schlich mich mit plattgedrücktem Leib zentimeterweise zur beinahe zugewachsenen Öffnung des Rohrs, wobei ich die Umgebung
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