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Felidae 4 - Das Duell

Titel: Felidae 4 - Das Duell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Akif Pirinçci
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das Spritzen vergessen und die Nadel aus Adrians Bauch wieder herausgezogen, bevor sich das Gift darin entleeren konnte.
    Adrian, Fabulous, die Käfiginsassen, die sogenannten Ärzte, Maximilian und ich, alle stierten wir gebannt und mit angehaltenem Atem auf die Öffnung des Rohres. Mit einem Male erstarb der Gesang, und ein überhelles Augenpaar leuchtete aus der Finsternis hervor.
    »Grüß Gott miteinand'!« rief Max in die Runde in einer bizarren Sprache, die sowohl mir als auch den Menschen verständlich war.
    Ein Gesicht, das es eigentlich nicht geben durfte, kam zum Vorschein und warf einen kurzen, aber vernichtenden Blick auf Maximilian, der vor Schreck ein paar Schritte zurücktaumelte und dabei seinen Stuhl umwarf.
    »Und ganz herzlich begrüße ich den Herrgott persönlich.«
    Dem Rohr entkroch eine Kreatur, die weniger aus Fleisch und Blut zu bestehen schien denn aus dem Stoff der Phantasie. Max war ein bestrickender und gleichzeitig beängstigender Mix aus seinem Vater und seiner Mutter. Von Fabulous hatte er das lange, seidige Fell im milchkaffeefarbenen Ton, die an der Spitze sanft gerundeten Ohren, den buschigen Schwanz und den muskulösen Körper. Bloß daß dieser Körper die Größe eines jugendlichen Menschen besaß und auch ein paar andere entscheidende Merkmale dieser Art enthielt. Seines Vaters Erbe war unter anderem ein Paar stechender blauer Augen. Er hatte also richtige Menschenaugen, wobei das Weiß darin so übertrieben hell strahlte, daß selbst Schnee im grellsten Sonnenlicht dagegen nicht hätte mithalten können. Die vorne spitz zulaufende, aus dem Gesicht hervorragende feline Schnauze war zugunsten einer flachen menschlichen Physiognomie etwas zurückgetreten. Das Wunderwesen nannte die Lippen eines Menschen sein eigen und das Killergebiß eines Felidaes, die weißen Schnurrhaare hatten sich in einen eleganten Bart verwandelt. Die Extremitäten sahen aus wie eine vollkommen neue Kreation aus Händen, Füßen und Pfoten. Die Knochen in den vorderen Pfotenballen waren zu fingerähnlichen Gliedmaßen mit sichelartigen, riesenhaften Krallen weitergewachsen. Das reale Fabelwesen stand aufrecht, aber wenn es sich bewegte, fiel es zwischendurch in die vierbeinige Fortbewegungsweise zurück. ( 6 )
    Das, was Max jedoch wirklich auszeichnete, war seine atemberaubende Schönheit. Er mußte für menschliche Augen geradezu das Ideal eines Haustiers verkörpern. Allerdings schien es mit den psychischen Eigenschaften, die man von diesem in Erfüllung gegangenen Haustiertraum erwartete, etwas zu hapern. Denn wie es aussah, waren die hier versammelten Menschen vom plötzlichen Auftauchen des animalischen Adonis wenig begeistert. Oder es verhielt sich genau umgekehrt, und sie ließen sich nichts anmerken. Schließlich hatten sie ihn nun fast dort, wo sie ihn von Anfang an haben wollten – in dem Riesenkäfig mit dem goldenen Namensschild. Ich registrierte, daß die Ärzte fast unmerklich von Adrian abließen und langsam zurück zu den Schränken hinter ihnen wichen. Es war nicht schwer zu erraten, wonach sie suchten: nach ihren Betäubungsgewehren!
    »Meine Fresse, hier steppt ja der Bär auf dem Tisch!« sagte Max mit seiner melodiösen Stimme. »Hoffentlich habe ich nichts verpaßt. So oder so, jetzt werden wir uns mächtig amüsieren, was, Papa?«
    Er schaute zu Maximilian, der mit angstverzerrter Miene die Mauer entlangschlich, die langen Rockschöße auf dem Boden schleifend, wie ein König auf der Flucht vor den in den Palast stürmenden Revolutionären. Sein Ziel war eines der Stahltore mit einem elektronischen Schloß. Max schien ihn nicht mehr zu beachten und schritt zu einem der Lichtkegel im Zentrum der Halle. Darin erstrahlte er wie ein vom Himmel gefallener Engel.
    »Danke für die Einladung, Mama ...« sagte er zu Fabulous gewandt. Diese sah bekümmert zu ihm auf und brach dann wieder in Tränen aus. »Ich darf dich doch so nennen – mit meiner Abstammung ist es nämlich eine verdammt komplizierte Geschichte. Ich blicke da selber nicht mehr so ganz durch. Ausgetragen und geboren hat mich ja eigentlich eine Philippinin aus den Armenvierteln von Manila. Da sieht man, daß die Menschen auch einen Menschen zu einem Tier machen können, wenn sie nur eine Vision haben – und tausend Dollar! Ich frage mich, ob diese Philippinin noch lebt. Ich meine, ob ihr nach dieser seltsamen Geburt und nach dem Schock, als sie sah, wen sie da auf die Welt gebracht hat, nicht etwas zugestoßen ist. Wie

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