Felidae 4 - Das Duell
beiden Knoten im Nacken des Tiers und oben am Wasserhahn. Danach wandte er sich mit einem wissenden Gesichtsausdruck zu mir.
»Wie kommst du eigentlich zu dem Schluß, daß dies das Werk eines Menschen ist, Francis?«
«Betrachte deine eigenen Pfoten, dann weißt du warum. Oder bist du etwa in der Lage, einen solchen Knoten zu knüpfen?«
»Es ist kein komplizierter Knoten, wobei ich gestehen muß, daß er mir nicht gelingen würde. Keinem von unserer Art würde er gelingen. Ich würde sogar sagen, daß ihn wahrscheinlich überhaupt kein Tier hinkriegen könnte. Aber wie du selber erkennen kannst, ist die Schlinge nicht so festgezogen, wie es ein Mensch mit seiner enormen Kraft üblicherweise tun würde. Der Knoten selbst wiederum ist der simpelste, den man sich denken kann. Das Ende der Kordel ist einfach unter die Schlinge gesteckt und dann nur ganz leicht festgezurrt worden. Die Straffung um den Hals des Toten kam zwangsläufig durch dessen Gewicht zustande. Selbstverständlich weiß ich, daß man arm-, hand- und fingerähnliche Extremitäten braucht, um das Opfer während dieses Vorgangs abzustützen oder zu halten. Dennoch wäre es im Bereich des Möglichen, daß ein trainiertes oder darauf abgerichtetes Tier solch ein Kunststück bewerkstelligen könnte. Das hier jedenfalls kann sogar ich ...«
Er streckte eine Pfote nach dem Erhängten empor und löste mit einer einzigen Kralle den Knoten. Die Kordel entwirrte sich sofort, und der Tote stürzte ins Becken. Wie von Adrian vorausgeahnt, hörte sich der Aufschlag nicht dumpf an, sondern hart und mit einem trockenen Nachhall wie bei einem sehr festen Gegenstand. Unser Wunderkind brauchte es mir erst gar nicht zu sagen: Der Selige befand sich in einem ziemlich erstarrten Zustand.
Allmählich begann ich mich von meiner Verlegenheit zu erholen und mir ein paar eigene Gedanken zu machen. Vielleicht konnte ich ja etwas von dem Ansehen zurückgewinnen, das ich bei den Damen verloren hatte – wenn ich überhaupt je welches bei ihnen gehabt hatte.
»Ob die Leiche nun gefroren ist oder die weit fortgeschrittene Leichenstarre diesen Zustand bewirkt hat, der Tod jedenfalls fand nicht mittels Strangulation statt, das scheint mir das wichtigste Resultat unserer Analyse zu sein«, sagte ich, wohlwissend, daß diese tolle Analyse allein auf seinem Mist gewachsen war. »Wir müßten herausbekommen, an was der arme Teufel nun tatsächlich gestorben ist. Dann wären wir einen entscheidenden Schritt weiter.«
»Aber ohne mich!« sagte Adrian munter und hüpfte von dem Becken herunter. Er gab jetzt wieder den eitlen Gecken, der sich nicht von den häßlichen Realitäten des Lebens fesseln läßt. Es war eine merkwürdige Verwandlung. Nachdem er sich dabei schier überschlagen hatte, sich als den besseren Kriminalisten in den Vordergrund zu spielen, wurde er schlagartig wieder zum spaßsüchtigen Jüngling, für den selbst eine Leiche nichts weiter war als eine kurzfristige Ablenkung. Dabei wirkte er kalt, so kalt wie ein abgestumpfter Arzt, der zum x-tenmal einen zum Sterben verurteilten Patienten behandelt. Ich hatte das Gefühl, daß diese Verwandlung die Folge meiner Entschlossenheit war, jetzt den Dingen auf den Grund zu gehen. Wenn die Sache ernst wurde und in Arbeit ausartete, wollte er mit ihr nichts zu schaffen haben.
»Er sieht ziemlich alt aus«, sagte er wie en passant und bedeutete den Damen mit einem Kopfnicken den Rückzug. »Vielleicht ist er an Altersschwäche gestorben, war krank oder etwas in der Art. Und vielleicht hast du recht, Francis, und irgendein Irrer hat ihn wirklich nach seinem Tod nach Hause geschleppt, ein bißchen in der Kühltruhe aufbewahrt und dann hier aus Jux und Dollerei aufgehängt. Wie du schon sagtest: Verrückte sind dafür bekannt, verrückte Dinge zu tun. Au revoir, Francis!«
Alle vier drehten mir den Rücken zu und entfernten sich durch den Schnee zu der Mauer, von der sie herabgekommen waren. Alle bis auf Fabulous. Sie stapfte den anderen ein paar Schritte hinterher, als käme sie nicht so schnell mit. Plötzlich riß sie sich zu mir herum, näherte sich mir bis auf Nasenspitze und schaute mit ihren goldglühenden Tiffany-Augen tief in meine. Sie gab sich äußerst verschwörerisch. Die wirbelnden Schneeflocken verwandelten ihr buschiges, braunes Gesicht in eine geisterhafte Erscheinung.
»Als wir gerade ankamen, habe ich in den Gärten einen fliehenden Schatten gesehen«, flüsterte sie hastig. Ihre Stimme klang rauchig und
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