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Felidae 8 - Göttergleich: Ein Felidae-Roman

Felidae 8 - Göttergleich: Ein Felidae-Roman

Titel: Felidae 8 - Göttergleich: Ein Felidae-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Akif Pirinçci
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können. Ein jeder Bildschirm und ein jedes Display, vom Riesen bis zum Zwerg, leuchteten auf dem Schreibtisch so hell, als legten sie es drauf an, einen bis zur Schmerzgrenze zu blenden. Im doppeldeutigen Sinne. All diese iGeräte schienen zu sprechen, gerade zu schreien: »Betrachte uns, spiel mit uns, beschäftige dich mit dem cleveren Quatsch, den wir uns für dich ausgedacht haben. Verschwende
deine wertvolle Lebenszeit mit uns, denn erst auf dem Sterbebett wirst du dahinterkommen, dass wir dich mit all dem Kinderkram die ganze Zeit nur verarscht haben, damit die Kasse von Steve, Gott hab ihn selig, gut gefüllt ist!« Der Letztere war es auch, der abseits der virtuellen Apple-Welt die Rolle des Gottessohnes einnahm, und zwar als ein geschmeicheltes Foto in einem stinknormalen Plastik-Stehrahmen neben den vielen Apple-Produkten.
    Von Archie war weit und breit nichts zu sehen. Vermutlich hatte er sich nach seinem allabendlichen Besäufnis ins Schlafzimmer verzogen, dessen Tür einen Spaltbreit offen stand. Eher würde ich Blausäure schlucken, als da reinzugehen und mir das ganze Elend anzugucken. Stattdessen sprang ich auf den Schreibtisch, fuhr mit der rechten Pfote über all die Touchscreens und zauberte bei denen, wo es möglich war, ganz groß die Uhr hervor. Die größte prangte auf dem Bildschirm des iMacs. Dann rief ich übers Internet die Atomuhr auf. Schließlich fläzte ich mich inmitten des Schreibtischchaos aus Junkfood-Verpackungen, unbezahlten Rechnungen und irgendwelchen zerknüllten Zetteln hin und behielt die diversen Uhren im Auge. Dass ich das Experiment so unspektakulär anging, hatte zweierlei Gründe. Erstens konnte ich nach meinem traumatischen Erlebnis mittags auf aufwendige Theatereffekte wie rückwärtsfliegende Vögel und in den Hahn zurückfließende Wasserstrahlen gut und gern verzichten. Zweitens spürte ich instinktiv, dass die Sache, wenn tatsächlich der Ernstfall einträfe, genauso wie beim ersten Mal ablaufen, nämlich die tolle Die-Zeit-läuft-rückwärts-Show nach einer gewissen Dauer
wieder abbrechen würde. Also war Abwarten und Teetrinken angesagt. Und, wer weiß, vielleicht entsprach das, was Junior und Sancta über mein außergewöhnliches Erlebnis gemutmaßt hatten, tatsächlich der Wahrheit: Ich war eben alt, senil und vollkommen verrückt. Was konnte ich mehr verlangen?
    Es ist allgemein bekannt, dass die eigene Wahrnehmung der Zeit durch verschiedene Faktoren bis an die Grenze des Selbstbetruges verzerrt und manipuliert werden kann. Glückliche Stunden scheinen nur so dahinzurasen, während Trauriges oder Langeweile sich wie eine Ewigkeit hinzieht. Auch das Alter verändert das Zeitempfinden. Empfand man als Kind ein Jahr wie ein Jahrhundert, kommt einem die gleiche Zeitdauer im vorgerückten Alter wie ein paar Monate vor. Irgendwo hatte ich einmal gelesen, dass dieses Phänomen mit dem Umfang des persönlichen Erfahrungsschatzes zusammenhängt. Je voller der ist, je mehr man also erlebt und das ganze Spektrum an Gefühlen kennengelernt hat, desto stärker wird Erlebtes als abgedroschen wahrgenommen. Man hakt das Bekannte rascher ab und somit auch die Zeit.
    Eine Sorte Zeitempfinden bleibt aber in jedem Alter gleich: die Betrachtung einer Uhr über eine lange Zeit hinweg. Es ist das Idiotischste, Sinnloseste und das Ödeste, das es auf Erden gibt. Reine Zeitverschwendung, sozusagen. Und es ist verdammt einschläfernd. Ich spürte die Müdigkeit gleich einem sich rasend schnell ausbreitenden Virus, je länger ich die virtuellen Zeiger, insbesondere den Sekundenzeiger und die Nummernanzeigen, betrachtete. Natürlich hatte ich vorgesorgt und der Abwechslung halber auf
den Bildschirmen und Touchscreens eine hübsche Kollektion unterschiedlicher virtueller Uhren erscheinen lassen. Es waren sogar eine Ding-Dong-Standuhr, eine Sanduhr und eine Sonnen- beziehungsweise eine Monduhr dabei. Echt witzig. Dennoch nicht witzig genug, um zu verhindern, dass meine Lider sich sekündlich immer bleierner anfühlten und erdwärts strebten.
    Parallel zu dem zunehmend stärker werdenden Schlafbedürfnis wurde mir der Schwachsinn meines Tuns bewusst. Was sollte diese Uhrenglotzerei eigentlich bringen? Das komische Erlebnis am Mittag erschien mir nun erst recht wie die Demenz-Episode eines alten Mannes, allerdings eines altersstarrsinnigen, der trotz des beginnenden Verlusts seiner geistigen Kräfte an seiner Sicht der Realität verbissen festhält und allen beweisen will, dass mit ihm

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