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Felidae 8 - Göttergleich: Ein Felidae-Roman

Felidae 8 - Göttergleich: Ein Felidae-Roman

Titel: Felidae 8 - Göttergleich: Ein Felidae-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Akif Pirinçci
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das umgekehrte Bild, und noch bevor diese Umkehrung richtig wahrgenommen worden ist, hat das Gehirn die Signale bereits in sein Klassifizierungssystem eingeordnet, wobei die Umkehr des Bildes mit eingeschlossen ist. Das Gehirn ordnet die Daten.« In einem Experiment versuchte man deshalb das Auge zu überlisten. Man stattete Versuchspersonen mit zum Auge hin verspiegelten Brillen aus, die das Gesehene auf den Kopf stellten, und gab ihnen dann Anweisungen, alltägliche Dinge zu verrichten. Diese sahen anfangs tatsächlich alles auf dem Kopf stehend und hatten verständlicherweise ihre liebe Mühe, sich zurechtzufinden. Doch nach einer gewissen Weile, siehe da! hatte das Gehirn den Schwindel durchschaut. Unmerklich stellte es das Bild wieder auf die Füße, und die Probanden sahen trotz Spiegelbrille wieder alles normal .
    Wenn man nun dieses Experiment mit meinen Aussetzern vergleichen wollte, welche Konsequenz ergab sich daraus?
Keine gute, fürchtete ich. Obwohl mein Körper nach Bewegungsdrang schrie, ließ ich mich wieder vor dem iMac nieder, weil mich bei dieser Erkenntnis ein leichter Schwindel erfasste und meine Beine unwillkürlich nachgaben. Ich starrte auf die zahllosen Uhren auf den Displays, ohne wirklich etwas zu sehen. Denn was war die so über die Maßen brisante Konsequenz meiner Erkenntnis? Ich mochte den Gedanken gar nicht zu Ende denken, doch er drängte sich mir jetzt auf wie eine unaufhaltsam heranschwenkende Abrissbirne: Die Zeit lief tatsächlich rückwärts! Bloß merkten wir es alle nicht, weil irgendein Teil unseres Gehirns für die Illusion der vorwärtslaufenden Zeit sorgte. Konnte das stimmen? Warum nicht, denn es existierten in Wahrheit auch keine Farben, sondern nur elektromagnetische Wellen, die von Rezeptoren in unseren Augen als Farben interpretiert wurden. Und was die Zeit betraf, so wusste noch kein Wissenschaftler etwas Endgültiges darüber zu sagen. Dass das Uhrwerk des Universums rückwärtslief, dass die Toten aus ihren Gräbern auferstanden und zu Tattergreisen wurden und dann immer jünger und jünger und zu Jugendlichen und Kindern gar und dass sie am Ende im Schoß der Mutter verschwanden – was sprach dagegen, dass sich die Realität so verhielt? Bei näherer Betrachtung hörte es sich genauso absurd an wie der umgekehrte Fall.
    Es gab bei dieser Theorie allerdings einen Riesenhaken. Und der war ich. Ich war imstande gewesen, hinter die Kulisse der Illusionsmaschinerie zu schauen, wenn auch in Form von zeitlichen Aussetzern und lediglich für acht Minuten und sechsundfünfzig Sekunden. Warum? Der mäßig witzige, alte Spruch kam mir in den Sinn: »Du bist wohl zu
heiß gebadet worden.« Haha. »Du hast einen Unfall gehabt«, klang da einleuchtender. Und dabei war etwas schiefgegangen. Genauer gesagt, während der Operation später war etwas schiefgegangen. Aber diese Operation hatte es nie gegeben. Oder etwa doch?
     
    Am nächsten Tag saß ich in der Frühe wieder Junior und Sancta im Garten gegenüber. Weder sie noch ich beachteten die strahlende Sonne am wolkenlosen Himmel, die fröhliche Symphonie der zwitschernden Vögel und den überwältigenden Duft der Blumen und Pflanzen. Ich hatte nach meinem surrealen Uhren-Erlebnis und den darauffolgenden krausen Gedanken eine recht schlaflose Nacht verbracht. Nichtsdestotrotz konnte ich es kaum erwarten, die Neuigkeit meiner kleinen Familie unter die Nase zu reiben. Dabei ging ich wie selbstverständlich davon aus, dass sie genauso fasziniert sein würden wie ich. Was aber nicht ganz der Fall zu sein schein, nach ihrem konsternierten Gesichtsausdruck zu urteilen, während ich erzählte, und ihrem vielsagenden Blickaustausch untereinander. Eher machten sie den Eindruck, als vernähmen sie den neuesten Rapport aus der Anstalt.
    »Ich weiß schon, es klingt noch verrückter als die Sache von gestern«, beendete ich meinen Erfahrungsbericht über die gestrige Nacht.
    »Verstehe ich dich richtig, Paps?«, fragte Junior und leckte sich mit der Zunge die letzten Spuren des Lachses ab, den wir von Gustav als Stärkung für den beginnenden Tag spendiert bekommen hatten. Mein schöner Sohn mit dem schwarz-weißen Fell, das stets derart aufgeplustert wirkte,
als hätte er jedes einzelne Haar toupiert, gab sich große Mühe, ernsthaft dreinzuschauen. Doch vermutlich musste er einen Lachkrampf so sehr unterdrücken, dass es schon schmerzte. »Weil die Uhren plötzlich rückwärtsgelaufen sind, nimmst du an, dass es der Zeit ebenso

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