Felidae 8 - Göttergleich: Ein Felidae-Roman
gerade das Richt…
Da! Mein gemächlich umherstreifender Blick machte geradezu eine Vollbremsung und blieb an der mir gegenüberliegenden Mauer am Ende des Gartens kleben. Darauf saß wie hingezaubert ein Artgenosse der besonderen Sorte. Wo kam der denn plötzlich her? Er war zwar keiner mir bekannten Rasse zuzuordnen, doch selbst aus dieser Entfernung stach mir seine schier überirdische Pracht ins Auge. Der schöne Bruder nannte ein speckig glänzendes schwarzes
Kurzhaarfell sein Eigen, was ihm etwas von einem unerschwinglichen Araberhengst verlieh. Die Bezeichnungen dünn oder schlank umschrieben seine Figur nur annähernd. Denn der grazile Körper ähnelte einer modernen Skulptur, erschaffen von einem schnöseligen italienischen Designer mit einer Vorliebe fürs Windschnittige und Minimalistische. Das Beeindruckendste aber war der Kopf: vom Maul her wie in die Länge gezogen und sehr spitz, eine Art umgekippte, scharfeckig auf den Betrachter weisende Pyramide. Dann die Augen: ozeanblau, absurd hell leuchtend und mit der Eindringlichkeit einer vorgehaltenen Waffe. Um die ganze Erscheinung schien eine Aura zu schweben wie um einen Heiligen. Ja, er war eindeutig einer von uns, und doch unterschied ihn irgendetwas von uns. Etwas so Unwirkliches, dass ich es nicht in Worte fassen konnte. Er starrte mich direkt an.
Normalerweise wird bei meinesgleichen in solch einer Situation sofort ein uraltes und recht drollig anmutendes Programm gestartet. Im Wesentlichen besteht es darin, den Revierfremden so lange anzuknurren und anzufauchen und mit allerlei Drohgebärden einzuschüchtern, bis er Leine zieht, und wenn das alles nichts nützt, in den sauren Apfel zu beißen und ihn anzugreifen. Die Ursache für dieses nicht gerade gastfreundliche Verhalten liegt darin, dass unsere Urahnen in der Wildnis nur ein begrenztes Jagdgebiet für sich zur Verfügung hatten, aus dem jeder Nahrungskonkurrent umgehend vertrieben werden musste. Heute, wo das begehrte Wild pünktlich aus der Dose kommt, erscheint das ganze Theater natürlich total gaga. Aber erzählen Sie das mal unseren Genen.
Weshalb das altehrwürdige Programm in Anbetracht des Bruders Hach-was-bin-ich-schön! bei mir nicht gleich ansprang, hatte einen gewichtigen Grund. Der Kerl begann nämlich mit mir zu sprechen. Wie es seine bizarre Gestalt schon hatte erahnen lassen, tat er dies selbstverständlich nicht auf die übliche Weise. Nein, er sprach mit mir, wie soll ich sagen … telepathisch? Jedenfalls hatte ich diesen Eindruck. Mit anderen Worten, ich war verrückt geworden.
»Sei gegrüßt, Francis!«, sagte er, ohne das Maul zu öffnen oder dessen Winkel auch nur leicht zu verziehen. »Ich hoffe, du bist nicht allzu sehr erschrocken.«
»Nein«, sagte beziehungsweise dachte ich. »Da ich gerade den Verstand verloren habe, spielen für mich solche Petitessen wie Logik und Realität keine Rolle mehr. Also brauche ich mich auch nicht zu erschrecken, wenn jemand in meinem Kopf zu sprechen anfängt.«
»Du hast nicht den Verstand verloren, Francis. Ich würde dir das alles gerne erklären, aber ich glaube, dafür ist es noch zu früh.«
»Na klar«, erwiderte ich. »Noch habe ich die Zwangsjacke ja nicht an. Ich glaube, so nach der siebten Elektroschocksitzung müsste ich für die Wahrheit bereit sein.«
Der Schwarze schien zu lächeln, ohne dass man das seinem edel geschnittenen Gesicht entnehmen konnte. Vermutlich sah ich das inzwischen auch telepathisch. »Merk dir meinen Namen«, sprach er weiter. »Ich heiße Pi.«
»Och, der Name ist schnell gemerkt, Pi. Ehrlich gesagt habe ich bis jetzt keinen eingängigeren Namen gehört.«
»Ich weiß nicht, Francis, gerade die eingängigsten Namen
werden oft schnell wieder vergessen. Aber wir sehen uns ja bald wieder.«
»Woher kennst du eigentlich meinen Namen, Pi? Von Facebook?«
Plötzlich wurde ich von einem vertrauten Geräusch aus meiner Trance herausgerissen. Ja, Trance. Denn Telepathie hin, Telepathie her, in Wirklichkeit hatte ich in meinem tiefsten Innern von Anfang an keine Sekunde lang daran geglaubt, dass ich im Garten mit irgendeinem hingezauberten Pi, der aussah wie Nippes aus dem Geschenkeladen und nicht einmal zum Sprechen das Maul aufkriegte, über zehn Meter Entfernung per Gedankenübertragung schnatterte. Nein, ich musste vor lauter Wohlbehagen eingenickt und dann in einen Zustand zwischen Halbwachsein und Dösen geglitten sein, in dem ich mir all dieses krause Zeug herbeifantasiert hatte. Gerade
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