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Felidae

Felidae

Titel: Felidae Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Akif Pirincci
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Chirurgen keine Freunde dieses Mittels sind, sondern Stein und Bein auf das gute alte Nähen schwören, welches ja ihre Künste auch mehr zur Geltung bringt.
    Das soll sich ändern. Denn mir schwebt eine radikale Lösung vor. Obwohl abzusehen ist; dass ich für meine »Suppe« keinen Nobelpreis bekommen werde, wird sie der Medizin eine Revolution bescheren. Doch was bedeutet schon der Nobelpreis? Er wurde dem Erfinder der elektrischen Glühbirne auch nicht verliehen, obgleich sie in diesem Jahrhundert größere Umwälzungen verursacht hat als die Spaltung des Atomkerns. Auf die kleinen, unsichtbaren Revolutionen kommt es an!
    Mein Anliegen ist es, das umständliche, zeitraubende und ausschließlich von Fachleuten auszuführende Nähen gänzlich abzuschaffen. Ich gehe noch einen Schritt weiter und glaube, da ß mein »Sekundenkleber« eines Tages in jedem Erste-Hilfe-Kasten zu finden sein wird. Eine klaffende Wunde wird einfach an Ort und Stelle wieder zusammengeklebt. Das wird besonders bei Verkehrsunfällen und im Kriegseinsatz lebensnotwendige Bedeutung bekommen!
    Folgendes soll erreicht werden: Die primäre Wundheilung schafft die Natur praktisch noch alleine. Die Probleme beginnen erst bei der sekundären Wundheilung. In den meisten Fällen liegen die Wundränder nicht genau aneinander. Oft klafft die Wunde, oder es fehlt ein Stück Gewebe, oder das Gewebe ist so stark beschädigt, da ß es abstirbt. In zerrissenes Gewebe dringen schnell Bakterien ein. Man mu ß also der Wunde nachhelfen, das heißt die Wundränder durch Nähen, Klammern - oder eben durch Kleben miteinander verbinden. Der Idealfall wäre, alle Wunden zur primären Heilung zu bringen.
    Selbstverständlich wird auch mein Gewebekleber nicht das vermögen, was geschickte Chirurgenhände zu vollbringen imstande sind. Doch dem verletzten Soldaten an der Front oder dem blutenden Kind bei einem Verkehrsunfall wird bereits der Sanitäter mit diesem Mittel erste Hilfe leisten können.
    Gesetzt den Fall, das Präparat klebt tatsächlich mit Sofortwirkung, gilt es dieses noch wie folgt zu veredeln:
    1. Es muss antiseptisch sein bzw. Bakterien schon im Vorfeld des Eindringens in die Wunde »abschnappen«.
    2. Durch seine polymerisierende Eigenschaft vernetzt es Wundränder augenblicklich miteinander. Es darf jedoch keinesfalls luftdicht abschließen. Sauerstoffmangel begünstigt das Ausbreiten von Infektionen.
    3. Das Immunsystem darf das Präparat nicht bzw. nicht frühzeitig abstoßen.
    4. Die »Suppe« mu ß sich quasi wie ein Dämon, der in den menschlichen Körper gefahren ist, nach einer Weile wieder in Luft auflösen. Zwei bis drei Wochen erscheinen mir als ein realistischer Zeitraum.
    5. Das Präparat mu ß unkompliziert zu handhaben sein. Praktisch ein Dämon aus der Tube.
    Wenn wir dies erreichen können, haben wir der Menschheit in der Tat einen glorreichen Dienst erwiesen.
    Was Anerkennung und Traumerfüllung angeht, war ich stets vom Pech verfolgt. Doch warum soll der Mensch nicht auch mal Glück haben?
     
     
    17. März 1980
     
     
    Alles läuft prächtig - ein bi ß chen zu prächtig. Lediglich noch einige Untersuchungen über die extravasale Blutgerinnung, dann können wir mit den Tierversuchen beginnen. Rosalie meint, ich sei überarbeitet und müsse mir zumindest an den Wochenenden Ruhe gönnen. Die Gute kann sich einfach nicht vorstellen, da ß die Arbeit, von der man besessen ist, mit dem herkömmlichen Begriff der Arbeit nichts gemein hat.
    Es ist jetzt ein Uhr nachts, und ich sitze immer noch in meinem hübschen, mit Rosalies Stiefmütterchen geschmückten Büro. Die anderen sind schon längst weg. Das einzige im Gebäude brennende Licht ist die antike Leselampe auf meinem Schreibtisch. Ich habe mir ein paar Gläser Rotwein genehmigt und komme langsam ins Philosophieren. Meine Gedanken schweifen ab zu Robert und Lydia und zu den glücklichen Sonnentagen, als sie unbeschwerte Kinder waren. Ich liebe sie immer noch mit der ganzen Inbrunst meines Herzens, obwohl sie uns nur zu den Weihnachtsfeierlichkeiten die Ehre eines Besuches erweisen und gelangweilte Miene zum langweiligen Spiel machen. Es ist ein blödes und deprimierendes Spiel. Wir haben uns gänzlich entfremdet und haben uns außer ein paar armseligen Belanglosigkeiten nichts zu sagen. Sogar mein überraschender Aufstieg scheint sie nicht besonders zu interessieren. Lügen, Nichtigkeiten und Kälte prägen das Verhältnis zwischen meinen Kindern und mir. Ist das der Lauf der

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