Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Felidae

Felidae

Titel: Felidae Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Akif Pirincci
Vom Netzwerk:
Welt? Müssen dieses Schicksal alle Menschen teilen, die sich einst Kinder wünschten und nun voll Bitternis feststellen müssen, da ß sie nur Fremde zur Welt gebracht haben?
    Die einzigen Freuden, die mir geblieben sind, sind meine Arbeit und Rosalie. Oder gehört Rosalie auch in die Abteilung »Täuschungen, die das Leben schrieb«? Ist sie nicht vielmehr eine liebgewordene Gewohnheit, von der man nicht abzulassen vermag, weil man sich sonst verschämt eingestehen mu ß , da ß sie nichts anderes als eine Gewohnheit ist und man jahrelang zu viel Aufhebens darum gemacht hat? Ich hoffe nicht.
    Ich hatte nie eine leidenschaftliche Beziehung zu Frauen. Weder habe ich sie verstanden, noch haben sie mich sonderlich fasziniert. Nicht einmal als junger Mann. Die erste Frau, die mit mir Freundschaft schlo ß , habe ich geheiratet. Der Zugang zu einem Teil des Lebens, welcher von Dichtern als der beschrieben wird, für den sich überhaupt zu leben lohnt, blieb mir verschlossen. Was also habe ich aus meinem Leben gemacht?
    Ich mu ß mit dieser demoralisierenden Grübelei aufhören. Sie führt zu nichts. Es ist spät. Morgen Vormittag werden die Tiere angeliefert, und ich mu ß dabei sein, wenn sie eintreffen. Ich hatte Experimente an Schimpansen beantragt, doch wie erwartet, wurden sie mir nicht genehmigt. Primaten dürfen erst in der letzten Phase des Projekts zum Einsatz kommen, war die fadenscheinige Begründung. Ignoranten! Sie weigern sich immer noch, zu erkennen, da ß hier etwas Bahnbrechendes entsteht.
    Aber ich mu ß Ruhe bewahren und eigentlich froh sein, nicht an Mäusen experimentieren zu müssen, die wegen ihrer dünnen Haut für meine Zwecke reine Zeitverschwendung wären.
     
     
    18. März 1980
     
     
    Die Tiere sind da! Ein unaufhörliches Miauen erfüllt das Gebäude, und die Laborantinnen sind angesichts der Putzigkeit dieser lebhaften Geschöpfe ganz aus dem Häuschen. Wir haben sie gemeinsam gefüttert und liebkost. Sie werden es gut bei uns haben, das garantiere ich.
     
     
    27. März 1980
     
     
    Der erste Versuch ist fehlgeschlagen. Ohne Betäubung haben wir an Köpfen von fünf Tieren kleine Schnitte angebracht und die Wundränder mit der »Suppe« präpariert. Aber anstatt zu kleben, hat das Gemisch das Fleisch vollkommen verätzt und sich wie Säure durch die Schädel bis zu den Hirnen durchgefressen. Die Tiere mu ß ten sofort eingeschläfert werden.
    Ein Rückschlag also. Ich hatte am Anfang nichts anderes erwartet, andererseits aber auch nicht mit dieser beängstigenden Aggressivität des Stoffes gerechnet. Etwas Grundlegendes läuft schief. Wir müssen intensiver arbeiten. Rom fällt aus.
     
     
    2. April 1980/1:20
     
     
    Ich bin hoffnungslos betrunken und eigentlich überrascht darüber, da ß ich noch in der Lage bin, diese Sätze zu formulieren. Der Rohrkrepierer von letzter Woche hat mein Selbstbewusstsein schlimmer getroffen, als ich es mir anfänglich eingestehen wollte. Es ist schon merkwürdig. Wir haben im Versuch das Gemisch verwendet, bei dem die größte Aussicht auf Erfolg bestand. Mit dem schrecklichen Ergebnis hatte niemand gerechnet. Sogar Gray, der allem skeptisch gegenübersteht, war angesichts der unvorhergesehenen Reaktion erschüttert.
    Wie nicht anders zu erwarten war, hat der kreuzbrave Dr. Gabriel seine n eidgenössischen Freunden eine Botschaft zukommen lassen, bevor ich meinen Bericht abfassen und in die Schweiz schicken konnte. Daraufhin rief Geibel an und informierte sich höchstpersönlich über das Fiasko. Dieses Panikgetue ist einfach skandalös und kann der Moral des Teams nur schaden.
    Nach der Obduktion der Tiere mutmaßen wir, da ß wir das Mi ß lingen des Experiments einer zu hohen Konzentration von Maleinsäure zu verdanken haben. Die Kopfhaut, die Schädelknochen und die Hirne der Probanden sehen wie unter Hitze geschmolzener Kunststoff aus. Die Konzentration verringern, das ist die Losung für den nächsten Monat.
    Ich muss jetzt doppelt so hart arbeiten. Rosalie wird sich daran gewöhnen müssen, mich nur an Wochenenden zu Gesicht zu bekommen.
     
     
    11. April 1980
     
     
    Ironie des Schicksals: Obschon wir hier inzwischen dreißig Tiere beherbergen, ist mir heute m orgen noch ein stattlicher Bursche zugelaufen. Als ich den Wagen gegenüber vom Labor parkte, sah ich ihn vor der Tür hin- und herlaufen und immer wieder energisch daran kratzen. Mutiger Kerl. Er sieht verwahrlost aus, wenngleich sein muskulöser Körperbau erstklassige Veranlagung

Weitere Kostenlose Bücher