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Felidae

Felidae

Titel: Felidae Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Akif Pirincci
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würde er ganz langsam einschlafen und stieß den letzten Atem seines sinnlosen Rattenlebens aus.
    Das war's. Von seinen Kollegen war keine Spur mehr zu sehen. Sie hatten ihn im Stich gelassen, hatten ihn dem Ungeheuer zum Fraß vorgeworfen, damit sie hübsch ihre eigene Haut retten konnten. Feiges Pack, dachte ich, gemeinsam hätten sie mich doch in Stücke reißen können. Diese Einsicht ließ weitere Wellen des Zorns und des Abscheus in mir aufwallen. Ich klemmte mir das tote Ding zwischen die Hauer, warf mich rittlings auf den Boden und zerkratzte und zerfetzte den Körper mit allen vieren. Und je verbissener ich ihn auf diese Weise bearbeitete, um so mehr spürte ich, wie meine Aggressionen verschwanden.
    Als ich schließlich völlig außer Atem nach Luft schnappte, erkannte ich mit einem Mal, da ß die Ursache des unbändigen Wutausbruchs nicht diese arme Ratte gewesen war, sondern die alptraumhaften Tage, die hinter mir lagen. Ich hatte lediglich einen Prügelknaben gesucht.
    Ich ließ von der Beute ab und starrte traurig vor mich hin. Mir war nach Weinen zumute, doch mein Tränenreservoir war für heute erschöpft. Die tote Ratte lag vor mir wie ein zum Kochen zubereitetes Stück Fleisch. Ihr Blut rann auf ein dickes, mit braunen Flecken übersätes Buch, das ihr als Bahre diente. Tief in Gedanken versunken versuchte ich geistesabwesend, den handgeschriebenen Titel zu entziffern. Schmutz und Feuchtigkeit hatten jedoch den Deckel arg verunstaltet. »TA CH« stand oben in großen Blockbuchstaben und darunter »PRO E S R JUL US PRETERIUS«. Die Lücken zwischen den Buchstaben bestanden aus einer kunterbunten Mischung aus Mäusekacke und einer undefinierbaren schleimigen Substanz, die offensichtlich von der Decke getröpfelt war.
    Neugier! Natürlich, das alte, widerliche Laster - oder Leiden? Ich schätze, ich würde, ohne mit der Wimper zu zucken, in die Hölle marschieren, nur um mal herauszubekommen, welche Temperatur dort drinnen herrscht. Und so begann mein rätselanfälliges, krankes Hirn wieder einmal zu kombinieren, während meine Pfoten die tote Ratte automatisch zur Seite schoben.
    TA CH ...
    Selbstverständlich hätte mir ein Blick in das Buch genügend Hinweise auf den Titel geliefert. Doch kranke Hirne denken nicht so. Sie wollen Rätsel lösen, die ewigen Rätsel. Plötzlich ein Geistesblitz, die Lösung! Lächerlich, warum war ich nicht gleich darauf gekommen?
    TA CH = TAGEBUCH
    Dann ging es Schlag auf Schlag.
    PRO E S R = PROFESSOR
    JUL US = JULIUS
    Tagebuch von Professor Julius Preterius. Endlich hatte ich ihn: m einen geheimnisvollen Doktor Frankenstein. Der Lümmel hatte ein Tagebuch verfa ß t. Aber zu welchem Zweck? Und weshalb lag das intime Stück zwischen all diesem Müll?
    Mit zitternder Pfote öffnete ich den Deckel des Buches. Die erste, stark vergilbte Seite war randvoll mit Kritzeleien, die die Menschen aus Langeweile oder vor Spannung, zum Beispiel beim Telefonieren, einfach so hineinzeichnen. Das Besondere an diesen Kritzeleien war jedoch, da ß sie allesamt mal in lustiger, mal in grotesker Pose Artgenossen von mir darstellten. Das Ganze sah wie verschrobene Entwürfe zu einem Gemälde aus, das meine Rasse darstellen sollte. Ich schlug die nächste Seite auf, und die geheimen Aufzeichnungen des Professor Julius Preterius begannen. Draußen setzte strömender Regen ein. Durch eine Luke oberhalb der Wand vor mir fiel der Schein der Blitze, die eine wilde Lightshow in den Gärten veranstalteten. Doch diesmal ängstigten mich weder Blitze noch Donnergrollen.
    Ich las und las - und schauderte. Nacktes Entsetzen packte mich angesichts der Schuld, die dieser Mann auf sich geladen hatte. Die Schuld, das Grauen und der Wahnsinn. Oder wie der olle Nietzsche so treffend zu sagen pflegt: »Und wenn du lange in einen Abgrund blickst, blickt der Abgrund auch in dich hinein ... «

Sechstes Kapitel
     
     
    15. Januar 1980
     
     
    Ich bin glücklich - falsch! Ich bin der glücklichste Mann auf Gottes Erden! Seit einem Monat habe ich das Gefühl, als stünde ich unter Drogen. Aber das Drogenglück ist nicht »fa ß bar«, will sagen, der mittels Stimulantia herbeigeführten euphorischen Stimmung haftet stets ein Hauch der Irrealität an. Dagegen dieser Zustand ... Ich könnte ganze Wälder ausreißen, könnte jeden umarmen und küssen, der mir auf der Straße begegnet. Rosalie meint, ich sähe um mindestens zehn Jahre jünger aus, was ohne falsche Bescheidenheit in der Tat keine Übertreibung

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