Felidae
verrät. Die Laborantinnen beharren darauf, da ß es sich bei ihm um einen Streuner handle. So haben wir diesen Satansbraten bei uns aufgenommen und ihn zu unserem Maskottchen erklärt. Er läuft im Gebäude frei herum und wird von jedem gehätschelt und mit Leckerbissen beköstigt. Mich würde interessieren, was er über seine Artgenossen in den Käfigen denkt.
25. April 1980
Ein neuer Versuch, ein neuer Flop. Drei Tiere wurden an der Bauchseite rasiert und mit dem Skalpell sauber aufgeschlitzt. Dann wurden die Wundränder mit der »Suppe« bestrichen und die Wunden mit Klammern zum Schließen gebracht. Fünf Stunden später mu ß ten wir zu unserer Enttäuschung konstatieren, da ß der Klebeeffekt so gut wie gar nicht eingetreten ist. Meiner Meinung nach liegt die Ursache des Scheiterns an der Verringerung der Säurekomponente. Ganz offensichtlich übt diese Substanz eine geheimnisvolle Wirkung auf das Gemisch aus, wobei ich gestehen mu ß , da ß auch die anderen Substanzen nicht so richtig miteinander harmonieren wollen. Um einen Durchbruch zu erlangen, sind viel mehr Tierversuche und infolgedessen mehr Tiere nötig, als wir am Anfang ausgerechnet hatten. Vor allem viel mehr Zeit. Die Angelegenheit ist deshalb so ärgerlich, da wir uns nach der Bewältigung dieses Problems noch mit der Verträglichkeit des Präparats mit dem Immunsystem und der zeitversetzten Abstoßung beschäftigen müssen, was sicherlich auch kein Honigschlecken sein wird.
Gleich werde ich meinen Bericht abfassen und in die Schweiz schicken. Es ist niederschmetternd, erneut mit schlechten Nachrichten aufzuwarten, aber was sein mu ß , mu ß sein. Ich nehme jedoch stark an, dass PHARMAROX von Dr. Gabriel längst unterrichtet worden ist. Übrigens tut dieser feine Herr sich überhaupt keinen Zwang mehr an, seine wahre Funktion zu verbergen. Zu allem Überflu ß hat auch noch dieser widerliche Knorr aus dem Institut seinen Besuch angemeldet. Unter dem Deckmäntelchen des kollegialen KontaktepfIegens will er sich von meinem Mi ß erfolg überzeugen.
Während ich dies alles schreibe, ist mir nach Weinen zumute. Gott möge mir die Kraft geben, mich aus diesem Dilemma zu befreien. Der Streuner, den ich zuletzt aufgelesen habe, sitzt auf dem Schreibtisch und betrachtet mich mit andächtigem Blick. Außer vielleicht Ziebold ist er wohl der einzige, der meinen Kummer versteht. Die anderen verhalten sich inzwischen dem Projekt gegenüber sonderbar gleichgültig. Sie sind Spitzenkräfte und können jederzeit bei einer anderen Firma oder Institution unterkommen. Wahrscheinlich halten sie mich für einen Idioten, weil ich mich mit so einer kindischen Idee beschäftige. Vielleicht haben sie gar nicht mal so unrecht.
7. Mai 1980
Der Frühling hat mit Pauken und Trompeten in den Gärten hinter dem Gebäude Einzug gehalten und sie schwindelerregend bunt zum Leben erweckt. Angesichts des ewig grellen Sonnenscheins und des Duftfestivals ringsumher möchte man vor Freude jauchzen. Trotzdem bin ich wohl der unglücklichste Mensch auf Gottes Erden. Heute m orgen haben wir an zehn Tieren einen neuen Versuch unternommen. Das Ergebnis war die schlimmste Pleite, die wir bis jetzt erlebt haben. An unterschiedlichsten Körperregionen der Probanden wurden lange Schnitte angebracht, so da ß große, klaffende Wunden entstanden. Nachdem wir die Schnittstellen mit der »Suppe« bestrichen hatten, p re ß ten wir sie mit der chirurgischen Zange fest zusammen. Es war grauenerregend! Zunächst pappten die Wundränder tatsächlich zusammen, dann aber fraß sich das Gemisch innerhalb von Sekunden in das Fleisch hinein und ließ es matschig und fransig werden. Die Wunden wurden immer größer, bis sie schließlich unter dem herausspritzenden Blut und einer eitrigen Körpersubstanz nicht mehr zu erkennen waren. Als die Reaktion ein Ende fand, waren alle zehn Tiere tot.
Ich begreife das alles nicht. Es widerspricht einfach der Logik. Obwohl wir das Aciditäts-Problem mittlerweile im Griff haben, will das Präparat sich mit lebenden Zellen immer noch nicht vertragen. Ich bin von Scham, Wut und Selbstzweifeln so überwältigt, da ß ich am ganzen Körper zittere. Am liebsten würde ich jetzt auf Teufel komm raus weiter experimentieren, doch ich habe keine Idee, wie ich das vor dem Team rechtfertigen soll...
23:25
Seitdem die anderen das Gebäude verlassen haben, spende ich mir mittels einer Flasche Rotwein selbst Trost. Dabei
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