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Felidae

Felidae

Titel: Felidae Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Akif Pirincci
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solle, da ß der Fremde vielleicht so wie wir nur als zufälliger Zeuge auf die Leiche gestoßen war, da ß wir ihn zunächst einem Verhör unterziehen mü ß ten und da ß jeder solange als unschuldig galt, bis man ihm seine Schuld nachwies ... Gleichzeitig sah ich die Lächerlichkeit dieser Appelle natürlich ein. Es war genauso absurd, als rufe man einer durchgegangenen Herde Pferde nach, sie solle auf die Verkehrsschilder achten. Mir blieb also nichts anderes übrig, als Jäger und Wild hinterherzusputen, um wenigstens das Schlimmste zu verhüten.
    Der Watschler, ein verwahrloster, grauhaariger Perser, zumindest eine Promenadenmischung mit einer Menge Perser drin, soweit ich es von der Ferne erkennen konnte, war überraschend behende. Ohne im Laufen innezuhalten, sprang er am Ende des Geländes fließend auf die Gartenmauer, so da ß er den Eindruck eines sachte abhebenden Jumbos erweckte. Oben angekommen, riskierte er einen hastigen, doch seltsam unbeteiligten Blick auf seine Verfolger, die wie die Kavallerie mit Karacho auf ihn zustürmten. Ein gigantischer Blitz, dem sogleich ein ohrenbetäubendes Grollen folgte, erhellte erneut den Schauplatz, und ich konnte zum ersten Mal sein Gesicht sehen. Er schien die Hatz nicht zu begreifen und runzelte mehrmals nervös die Stirn. Ja, er war richtig verwundert, machte jedoch keinerlei Anstalten, seinen Häschern Worte zu seiner Verteidigung entgegenzurufen oder sie um Erbarmen zu bitten. Augenscheinlich empfand er keine wirkliche Angst, sondern eher maßlose Irritation. Sein Gesichtsausdruck verriet Zerstreutheit, und in Verbindung mit seinem merkwürdigen Verhalten gab er das Bild eines äußerst komischen Kauzes ab.
    Er ließ sich von der Mauer auf die andere Seite in den Nachbargarten fallen und war aus unserer Sicht verschwunden. Kong, Herrmann und Herrmann und einige Sekunden später auch meine Wenigkeit, erreichten endlich die Mauer, um gerade noch rechtzeitig mitansehen zu dürfen, wie unser Verdächtiger bereits die gegenüberliegende Mauer emporkraxelte und sich cool anschickte, von dieser in den nächsten Garten zu springen. Also das Ganze noch einmal. Wir folgten Seiner Absonderlichkeit, überquerten den Garten und bestiegen die Mauer.
    Er war weg! Wie vom Erdboden verschluckt, dahingefahren in sein Yellow-Submarine-Land, aus dem er wohl gekommen sein mochte. Was wir jetzt zu Gesicht bekamen, war nur die Wiederholung des Vorangegangenen. Abermals ein Garten, abermals Mauern im Rechteck, abermals eine unübersichtliche Landschaft aus kahlen Bäumen, abgestorbenen Blumenbeeten, umherfliegendem Gartenmobiliar, undefinierbarem Garagenschrott und dem obligatorischen traurigen Grill.
    Kong überlegte angestrengt, und wie alle Vorgänge in seiner schlichten Psyche bildete sich auch diese Regung glasklar in seinem Gesicht ab. Er hätte einen wunderbaren Lehrer für Taubstumme abgegeben. Dann wandte er sich an mich.
    »'ne Idee, wo das Aas geblieben ist, Klugscheißer?«
    Er bat mich um meine Meinung! Diese Ehre! Diese Gnade! Der Kerl hatte ganz vergessen, dass er mich noch vor ein paar Minuten aufspießen, vierteilen und durch den Fleischwolf drehen wollte.
    »Nein«, gestand ich. »Bei diesem Sauwetter und dieser höllischen Finsternis weiß ich ja nicht einmal mehr, wo meine Wohnung geblieben ist.«
    »Der ist bestimmt weiter, Boss«, schlug der ewig grinsende Herrmann vor. »Der ist mit absoluter Sicherheit über die nächste Mauer und türmt immer weiter. Es bleiben aber nur noch drei Gärten übrig, dann ist Ende des Kartons. Dort, wo der Bezirk spitz zuläuft, können wir ihn schnappen!«
    Kong zauberte ein begeistertes Lächeln auf sein Gesicht. Einfache Lösungen faszinierten ihn.
    »Ja, ja, ja«, hechelte er. »Also los!«
    Die drei Musketiere sausten von der Mauer herab, durchrasten den Garten, überwanden die folgende Mauer und entzogen sich meinem Blick. Was mich anging, so hatte ich für heute von nächtlichen Schnitzeljagden, überraschend auftauchenden Leichen und vermeintlichen Mördern genug. Es wäre vielleicht meine Pflicht gewesen, bei der Ergreifung des Sonderlings anwesend zu sein, damit man ihn nicht gleich an Ort und Stelle lynchte. Aber die bisherigen Anstrengungen hatten schon so sehr an meinen Kräften gezehrt, da ß ich allmählich zu torkeln anfing. Schuldgefühle hin, Schuldgefühle her, ich mu ß te passen.
    Mit einem Mal tauchte der Perser wieder auf! Ich traute meinen Augen kaum, doch ich sah, wie er sich ächzend durch ein vermutlich

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