Felidae
durch Rost entstandenes Loch einer alten Waschwanne quetschte, welche verkehrt herum im Gras stand und einen vorzüglichen Unterschlupf für meinesgleichen in Notsituationen bot. Dann legte er ein Päuschen ein. Die Aufregung schien ihn ermüdet zu haben, doch das war wesentlich besser als Kong als Frühstück zu dienen. Er war verdammt glimpflich davongekommen.
Da er mit dem Rücken zu mir saß, nahm er mich nicht wahr. Er hatte seine Verfolger aus seinem sicheren Versteck aus weglaufen gesehen, und weil er wohl in dem ganzen Durcheinander das Zählen vergessen hatte, glaubte er nun, sie allesamt abgeschüttelt zu haben.
Ohne sich noch einmal umzublicken, raffte er sich schwerfällig auf und watschelte in aller Seelenruhe diagonal durch den Garten zu einem Mauerwinkel, der mit Efeu, Halmen und ordinären Sträuchern bewachsen war. Er schlüpfte in dieses undurchsichtige Grün hinein und verschwand.
Nun ja, ich hatte dieses tolldreiste Theater nicht über mich ergehen lassen, um jetzt aufzugeben, ob zu Tode erschöpft oder nicht. Ergo hechtete ich die Mauer hinab und näherte mich vorsichtig dem Pflanzendickicht. Tatsächlich, in dem Gestrüpp, ideal getarnt durch das Efeu, verbarg sich eine leicht klaffend e , unscheinbare Öffnung, welche in einen rohrartigen Tunnel führte. Daraus drang das Echo der kratzenden und schlurfenden Geräusche, die mein Vorgänger verursachte. Vermutlich führte diese Verbindung zu der Kanalisation oder zu irgendeiner anderen unterirdischen Anlage.
Ich dachte kurz nach. So wie die Dinge standen, hatte ich zwei Möglichkeiten zu sterben. Wenn ich der Spur nicht folgte, würde ich hier auf der Stelle vor Neugierde platzen, und wenn ich ihr doch folgte, würde mich ein Massenmörder ins Jenseits befördern. Ich entschied mich schließlich für die zweite Todesart, da mir die erste weitaus qualvoller erschien.
Nachdem ich mich in die schmale Öffnung gezwängt hatte, stellte ich fest, da ß es sich bei diesem geheimen Durchgang um einen extrem engen, quadratischen, scheinbar aus Basalt gehauenen Schacht handelte. Die Innenwände waren mit Dreck, Moos und undefinierbaren Ablagerungen der Zeit verkrustet. Welchem Zweck diese Verbindung auch immer diente oder einst gedient haben mochte, es hatte den Anschein, als sei sie schon seit Jahrhunderten unter der Erde verborgen. Es war sehr stickig da drinnen, und ich kam nur kriechend vorwärts und bemühte mich nach allen Kräften, keine klaustrophobischen Anwandlungen aufkeimen zu lassen. Von meinem geheimnisvollen Perser war nichts mehr zu hören. Offensichtlich hatte er bereits das Ende des Schachts erreicht. Wiewohl der unheilverkündende Tunnel schräg abwärts ging, mu ß te ich mich am Anfang der Strecke noch mühsam durcharbeiten, weil die Neigung sehr gering war. Doch nach einer Weile fiel der Gang so höllisch steil ab, dass ich zunächst verzweifelt versuchte abzubremsen, dann aber schließlich mit ungeheurer Geschwindigkeit herunterschlitterte. Diese Tortur dauerte ganz schön lange, und von der ständigen Reibung im Schacht nahm ich das Aussehen eines Schornsteinfegers an, allerdings eines solchen, der bestialisch stank. Dann plötzlich spürte ich keinen Boden mehr unter den Pfoten und stürzte ab 11 .
Ich polterte in einen winzigen, kübelartigen Raum, der wie das aus Stein gemeißelte Innere einer Zwiebelkuppel aussah. Finsternis beherrschte diesen Ort, aber durch eine Luke rechter Pfote fiel etwas Licht hinein und gewährte eine notdürftige Orientierung.
Erneut in der Falle, blieb mir keine andere Möglichkeit, als mich auf eine weitere Exkursion einzulassen, obgleich meine Abenteuerlust inzwischen mehr als gedämpft war. Sicherlich würde ich in Kürze auf den Schlachter stoßen, der sich in diesem Labyrinth weiß Gott besser auskannte als ich, und er würde mich nach der Uhrzeit fragen und dann mit Haut und Haaren auffressen. Wie jedes intelligente, phantasiebegabte Lebewesen hatte ich des öfteren Hypothesen über mein Hinscheiden angestellt und in den bizarrsten Visionen geschwelgt. Da ß der Schlu ß akkord eines jeden Lebens stets schäbig, um nicht zu sagen in einer unerbittlichen Armseligkeit verklingt, hatte ich dabei nicht berücksichtigt. So also würde Francis, der Klugscheißer, seinen letzten Atem aushauchen. Verschollen unter der Erde, in einer dunklen, kalten Hölle, im stinkenden Maul eines Persermischlings, auch der Watschler genannt! Sicher, viele würden trauern. Allen voran Gustav, der sich nach meinem
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