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Felsenfest: Alpenkrimi (German Edition)

Felsenfest: Alpenkrimi (German Edition)

Titel: Felsenfest: Alpenkrimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Maurer
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Bärtige wusste, was er da las. Es war seine eingetippte Nachricht von vorher, sein improvisierter Hilferuf. Wenigstens musste dem Geiselnehmer jetzt klar sein, dass die Nachricht nicht an eine Notrufnummer gegangen war. Der Bärtige schöpfte ein klein wenig Hoffnung. Vielleicht verstand ja der Empfänger seine Botschaft. Und vielleicht konnte sie der Geiselnehmer nicht entschlüsseln.

5

    »Ein reichlich merkwürdiger Ort für eine informelle Besprechung ist das schon!«, sagte Rechtsanwalt Nettelbeck. »Restaurant
Bergpanorama
! Sie haben mich um Diskretion gebeten, aber hier bei diesem Gewusel –«
    Dr. Herbert Nettelbeck entsprach der Vorstellung des klassischen Rechtsanwalts: Maßanzug, Krawatte, graumeliertes Haar, randlose Brille und Aktenkoffer aus Leder, aus dessen Außenfach die ›Neue Juristische Wochenschrift‹ herausspitzte. Er wandte den Blick von seinen beiden Klienten ab und sah sich auf der Terrasse um. Er rümpfte die Nase. Das war keine angemessene Umgebung für ihn. Das war kein Ort, an dem Diskretion und Verschwiegenheit zu Hause waren. Auch seine beiden Klienten bildeten einen schroffen Gegensatz zu dem noblen Rechtsanwalt. Sie machten einen überaus lockeren, gutgelaunten Eindruck. Sie trugen wie viele Einheimische legere Tracht, sie saßen gemütlich da, sie strahlten die Ruhe der Alteingesessenen aus.
    »Ich finde, das ist genau das Richtige für unsere Besprechung«, sagte der Mann in Bundhose und Strickjanker. »Das ist ein richtiges Touristenlokal. Keine Einheimischen, keine Bekannten. Hier können wir alles in Ruhe besprechen, Herr Advokat.«
     
    Die Terrasse vor dem Ausflugslokal
Bergpanorama
war in diesen späten Morgenstunden schon gut gefüllt mit Touristen aller Nationalitäten. Der Name Bergpanorama entsprach allerdings nicht mehr ganz den Tatsachen, rundherum war im Lauf der Zeit ein Wildwuchs von mörderschicken Seniorenresidenzen, Wellnessoasen und Zweitwohnungsbunkern entstanden. Die Architekten hatten den Blick auf den Berg schwer verwellnesst. Doch die Innenarchitekten hatten gute Arbeit geleistet: Gaststube und Terrasse waren gemütlich bis konspirativ verwinkelt, es gab viele Erkerchen und Nischen, und am verschwiegensten Ecktisch der Veranda saßen die drei Geheimbündler: auf der einen Seite das ehemalige Bestattungsunternehmerehepaar Grasegger, Inhaber eines inzwischen ruhenden Familienbetriebs (gegr. 1848 ), ihnen gegenüber Rechtsanwalt Dr. Herbert Nettelbeck, Spezialist für Verwaltungsrecht, Politisches und Internationales Recht. Sie rückten enger zusammen und beugten die Köpfe vor.
    »Was haben Sie herausgefunden, Herr Rechtsanwalt?«, begann Ursel Grasegger.
    »Einiges«, antwortete Nettelbeck verschwörerisch.
     
    Alle drei hatten nicht bemerkt, dass auf der anderen Seite der Terrasse, zwischen all den Touristen und Auswärtigen, doch ein Einheimischer saß. Er kannte die Graseggers gut, er kannte auch Nettelbeck. Er machte sich seinen Reim darauf. Er schoss ein Handyfoto von dem Trio. Dann erhob er sich, verschwand hinter einer Ecke und wählte die Nummer der örtlichen Zeitung.
     
    »Wenn ich Sie recht verstanden habe, fassen Sie ins Auge, politisch aktiv zu werden?«, sagte Nettelbeck und holte ein paar Schriftstücke aus seiner Aktentasche. Er legte sie vorsichtig vor sich auf den Tisch. Doch jetzt kam die Kellnerin im rostgrünen Dirndl.
    »Weißwürstl! Frische Weißwürstl!«, rief sie freudestrahlend und in bestem sächsischen Zungenschlag und schraubte drei wuchtige Porzellanschüsseln auf den Tisch.
    »Wenn jemand schon Weißwürst-
l
sagt, dann langts mir schon«, murmelte Ignaz.
    »Dann lassen Sie sich die Würstl mal schmecken!«, dresdelte die Rostgrüne und verschwand. Nettelbeck hatte seine Akten rechtzeitig zurückgezogen. Er warf einen vorsichtigen Blick in seine Schüssel. Die Würste drehten sich im heißen Wasser wie Holzstämme im Sägewerkssee. »Darf ich Sie fragen, wie Ihre Bewährungsauflagen lauten?«
    Ignaz verschränkte die Hände gemütlich vor dem Bauch. Solange das noch möglich ist, hatte Ursel einmal gesagt, solange du mit den Armen da noch rumkommst, brauchen wir mit keiner Trennkostdiät anzufangen.
    »Einmal in der Woche im Polizeirevier melden«, sagte Ignaz. »Bis vor kurzem mussten wir noch täglich antreten.«
    »Und weiter?«
    »Keine unangemeldeten Reisen ins Ausland.«
    »Dachte ich mir schon.«
    »Lebenslanges Berufsverbot als Bestatter. Diese Auflage ist besonders hart.«
    »Normal.«
    »Einzug des aus

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