Felsenfest: Alpenkrimi (German Edition)
bringen? Bekommen wir nun endlich die Olympischen Spiele? Schaffen es die Graseggers, den Doppelort zu einigen? Entscheiden Sie selbst, und schreiben Sie uns.
6
Kommissar Jennerwein hatte eigentlich seinen freien Tag in Ruhe genießen wollen. Jetzt sah er sich von immer mehr Bewunderern und Neugierigen umgeben. Sein Bild prangte nämlich in der aktuellen örtlichen Zeitung. Unter der Rubrik »Was geschah heute vor einem Jahr?« wurde der sogenannte Wolzmüller-Kriminalfall noch einmal kurz geschildert. Auf den Tag genau hätte damals der Kommissar die berüchtigte Auftragskillerin gefasst und dabei ganze Arbeit geleistet. Ein Gruppenfoto der Ermittler war darunter abgedruckt. Jennerwein hatte das Bild vor einer Stunde im Schaukasten der
Loisachtaler Allgemeinen
gesehen. Maria Schmalfuß, die schlanke, hochaufgeschossene Psychologin stand auf dem Foto direkt neben ihm. Sie warf ihm einen bewundernden Blick zu, vielleicht war es auch mehr als Bewunderung. Die junge Kommissarin Nicole Schwattke stand auf der anderen Seite, sie blickte fest und forsch in die Kamera. Im Hintergrund, ziemlich verdeckt, war der Allgäuer Hauptkommissar Ludwig Stengele zu sehen, er hatte sich halb abgewandt, ihm schien das Gruppenbild nicht so arg wichtig, vielleicht sogar lästig zu sein. Die beiden Polizeiobermeister Johann Ostler und Franz Hölleisen standen seitlich, stolz, aber etwas verlegen, wie es schien. Jennerwein hatte das Bild lange betrachtet, da hatte hinter ihm jemand zu einem anderen gesagt:
»Da schau her, das ist das Team von diesem Jennerwein. Aber wo ist denn der Chef selbst?«
Obwohl er ganz und gar im Mittelpunkt stand, fiel er nicht auf. Camouflage pur. Der Jennerwein-Effekt. Das musste ihm erst einmal jemand nachmachen.
»Unterschreiben Sie mir da, bittschön, Herr Kommissar? Da, gleich neben dem Bild!«
Jennerwein hatte einen wichtigen Termin. Um zwölf. Auf den wollte er sich noch ein wenig vorbereiten. Er unterschrieb, tat so, als ob er einen Anruf bekommen würde, verabschiedete sich höflich und ging scheinbar angeregt telefonierend weiter. Die sonderbare SMS -Nachricht fiel ihm wieder ein. Er betrachtete sie nochmals nachdenklich.
hu! 239 b.gu
War da jemand zufällig auf die Tasten gekommen? Dagegen sprach das Rufzeichen. Um ein Ausrufezeichen zu produzieren, musste man die Umschalttaste drücken, und das ging nicht zufällig. War es ein Kennwort? Bei Kennwörtern wurde empfohlen, Buchstaben, Zahlen und Satzzeichen zu mischen. Aber warum sollte ihm jemand ein Kennwort schicken? Er drückte die Rückruftaste.
»Die gewählte Telefonnummer kann von diesem Telefonanschluss nicht erreicht werden.«
Sonderbar. Jennerwein steckte sein Mobilfunkgerät wieder ein und verließ den Markt. Doch so richtig entspannen konnte er sich nicht mehr. In seinem Kopf arbeitete es. Er war im Alert-Modus. Verdammter Beruf, man wurde ihn nicht los. Bunt wirbelten durcheinander: die Geruchsmischung der Marktstände, das schlampig gezeichnete Graffito-Piece, die zehnstellige SMS , das Bild in der Zeitung, der unergründliche Blick von Maria Schmalfuß.
Er bog in eine menschenleere Seitengasse ein. Und dann schälten sich zwei Silben aus dem Gewirr heraus: hu und gu. Assoziativ jonglierte er mit den beiden Silben. Hubertus Jennerwein hatte viele Spitznamen gehabt, in der Schule, in der Ausbildung und auch noch später. Alle leiteten sich von seinem Nachnamen ab: der Wildschütz Jennerwein, der Girgl Jennerwein, der Wilderer, Freischütz, Gamsjäger Jennerwein. Das waren naheliegende Spitznamen, die er alle nicht mehr hören konnte. Aber es gab eine kurze Freundschaft mit einem, der seinen Vornamen Hubertus zu Hu verkürzt hatte, und das war Bernie Gudrian. Das wars: Gudrian hatte ihm gesimst und ihn an das Klassentreffen erinnert, zu dem er ohnehin nicht gehen würde.
Und jetzt war Jennerwein schon wieder beim professionellen Kombinieren. War das Treffen nächste Woche? Oder übernächste Woche? Oder im September, am 23 . 9 .? Er wusste es nicht. Jennerwein ging schon lange nicht mehr zu den Jahrgangstreffen seiner alten Abiturklasse. Zum ersten Treffen, zum Einjährigen, war er noch wie selbstverständlich gekommen. Doch da hatte er schon den Eindruck gehabt, dass alle ein wenig die Nase gerümpft und hinter seinem Rücken kleine abwertende Bemerkungen gemacht hatten. Jennerwein hatte als Einziger im Kollegstufenjahrgang kein Studium begonnen. Er war, kaum war das letzte Wort des Deutschabituraufsatzes
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