Ferdinand Graf Zeppelin
Gräfin mit fester Stimme. »Wir sind es den lieben Menschen wirklich schuldig. Denke doch nur daran, was für ein tolles Fest sie dir aus Anlass deines 70. Geburtstags kürzlich ausgerichtet haben. Die Lieder, die Gedichte, die Huldigungen, das grandiose Feuerwerk – all das!«
»Damals gab es ja auch noch einen guten Grund zum Feiern. Mein Luftschiff hatte seine Feuertaufe kurz davor glänzend bestanden – dieses Mal jedoch liegt es zerstört am Boden. Was soll es denn da noch zu feiern geben?«
»Immerhin unseren Hochzeitstag«, beharrte Isabella auf ihrem Standpunkt. »Und das ist ja wohl auch ein Grund! Jetzt erst recht wirst du allen zeigen, dass sich ein Graf Zeppelin niemals unterkriegen lässt – und mögen die Umstände noch so widrig sein. Du wirst Haltung beweisen! Haltung und Würde. Wie es sich für einen Grafen Zeppelin geziemt!«
Ihr Mann musterte sie mit einem erstaunten Blick. »Das sagst ausgerechnet du …«
»Ja! Das sage ausgerechnet ich!« erwiderte sie streng. »Und im übrigen bist es nicht du allein, dem am heutigen Tag ein Unglück widerfahren ist. Gerade vorhin, als ich schon am Bahnhof auf dich gewartet habe, kam die telegrafische Nachricht, dass in Donaueschingen ein Brand fürchterlich gewütet hat. Nahezu die ganze Stadt soll ein Raub der Flammen geworden sein.«
»Die armen Menschen! Weiß man schon etwas über die Ursache für das Feuer?«
»Es war offenbar ein Gewittersturm …«
» … genau wie in Echterdingen! Was für ein schlimmer Katastrophentag, dieser 5. August!«
»Umso dankbarer kannst du unserem Herrgott dafür sein, dass bei dem Unglück in Echterdingen niemand zu Tode gekommen ist!«
»Das hätte gerade noch gefehlt! Allein wenn ich daran denke, wird mir eiskalt.«
»Siehst du! Es hätte also noch viel schlimmer kommen können.« Ungewohnt energisch behielt Isabella weiter die Initiative. »Du hast schließlich schon ganz andere Klippen gemeistert. Bedenke doch nur, dass dich noch vor zehn Jahren fast kein einziger Ingenieur unterstützen wollte, als du Finanziers für das lenkbare Luftschiff gesucht hast, das leichter ist, als Luft! Und dann diese unglaubliche Begeisterung, die du ausgelöst hast, als du ihnen bewiesen hast, dass es funktioniert. Die Menschen jubeln dir zu, sie verehren dich, Du darfst sie nicht enttäuschen. Du darfst jetzt nicht aufgeben – nicht so kurz vor dem Ziel!«
»Wie soll das denn gehen, Bella?! Ich weiß nicht …«
»Aber ich! Ich bin fest an deiner Seite! Und von mir aus können wir unsere ganze Habe verpfänden, meinetwegen sogar Schloss Girsberg, denn ich bin mir sicher: eines Tages wirst du endgültig triumphieren!«
Ferdinand von Zeppelin vermeinte, nicht richtig gehört zu haben. »Du … du willst wirklich alles hergeben? Alles auf eine Karte setzen?!«
»Ja, das will ich! Wie ich es mit meinem Erbe schon einmal getan habe, damals, als niemand mehr an dich glauben wollte. Hast du das denn schon vergessen, Ferdi?«
»Nein, natürlich nicht!« Als habe ihn plötzlich eine neue Kraft durchströmt, straffte der alte Graf seinen Rücken und ballte entschlossen die Hände zu Fäusten. »Du hast ja recht, Bella! Und wenn du mir dermaßen entschlossen beistehst und mit mir zusammen diesen steinigen Weg beschreiten willst, dann kann ich ja gar nicht anders. Wir werden es noch einmal versuchen. Auch wenn es sicher schwierig werden wird.«
»Einfach wäre ja auch langweilig, nicht wahr, Ferdi?« lächelte Isabella erleichtert über die sichtbare Verwandlung in der Gemütslage ihres Mannes. »Aber gemeinsam werden wir es schon schaffen!«
»Nun denn!« Unternehmungslustig reckte er sein Kinn in die Höhe und nahm dann ihren Fahrer ins Visier. »Lau! Hören Sie. Wir fahren jetzt erst einmal nach Manzell zur Luftschiffhalle, das gehört sich einfach so und erst dann in den »Buchhorner Hof«. Verstanden?«
»Das war mir doch ohnehin klar, Exzellenz«, grinste Bernhard Lau und atmete erleichtert durch. Ja, da war er in ersten Ansätzen wieder zu hören gewesen, der ebenso unternehmungslustige, wie entscheidungsfreudige und fürsorgliche Graf Zeppelin. So wie sie ihn alle kannten und verehrten. »Auf nach Manzell also!«
Eine gute Viertelstunde später sollte sich ihr Kalkül als falsch erweisen, denn in Manzell hatten sie bis auf einen einsamen Wachtposten niemanden antreffen können – die riesige Luftschiffhalle und das weiträumige Areal präsentierten sich ihnen in der Dunkelheit wie ausgestorben. Gleich nach
Weitere Kostenlose Bücher