Ferdinand Graf Zeppelin
Bekanntwerden der Katastrophennachricht hätten die Arbeiter das Gelände geradezu fluchtartig verlassen, um sich in Friedrichshafen mit den neuesten Nachrichten versorgen zu lassen, erklärte ihnen der Wächter. »Gut: dann fahren wir jetzt am besten direkt zum »Buchhorner Hof«, nicht wahr Exzellenz?« erkundigte sich Lau sicherheitshalber, während er den Wagen bereits in Richtung auf das traditionelle Quartier des Grafen lenkte. »Wahrscheinlich warten dort schon alle auf Ihre Ankunft.«
Dieses Mal lag der Luftschiffkapitän mit seiner Vermutung richtig. Zeppelin traute seinen Augen nicht, als er nach der erfolglosen Stippvisite in Manzell an der Seite seiner Ehefrau die Eingangshalle des Hotels betrat: nicht nur, dass ihm hier die gesamte Belegschaft der Luftschiffwerft zusammen mit den Hotelbediensteten und vielen hundert Friedrichshafener Bürgern einen geradezu euphorischen Empfang bereitete – die »Hurra« und »Hoch« Rufe schienen gar kein Ende nehmen zu wollen – sie hatten noch eine ganz andere Überraschung für ihn parat: vor der Rezeption stapelten sich die Waschkörbe der Hotelwäscherei. »Was sollen denn die Waschkörbe hier?« brummelte er irritiert.
»Das ist die Post, die uns seit dem frühen Abend aus allen Teilen des Reiches erreicht hat«, sorgte der Hoteldirektor, dessen Gesicht vor Aufregung und Anspannung tiefrot erglühte, für die rasche Aufklärung. »Schauen Sie nur, Exzellenz: das sind alles Telegramme, in denen wildfremde Menschen dem »tapferen Grafen Zeppelin« ihre tief empfundene Anteilnahme aussprechen! Wenn das so weiter geht, dann gehen uns bald die Waschkörbe aus!«
»Und lesen Sie einmal, Exzellenz, was die Leute da schreiben!« Auch Lau hatte sich von der Aufregung des Hoteldirektors anstecken lassen und nun eine Handvoll der Telegramme in seine Hand genommen. »Es steht überall dasselbe drin: die Menschen wollen unbedingt, dass Sie weitermachen. Unglaublich, aber beinahe jedes Telegramm enthält sogar eine konkrete Spendenzusage! Hundert Mark, hier fünfzig, wieder einhundert Mark und hier, das ist ja kaum zu glauben, will Ihnen ein Mann aus Frankfurt gleich tausend Mark spenden. Er bittet darum, eine Bankverbindung genannt zu bekommen, damit er die Überweisung unverzüglich vornehmen kann. Es ist atemberaubend!« Mit dem Taschentuch wischte sich Lau über seine inzwischen schweißnasse Stirn. »Das … das sind ja …«
»… das dürften in der Summe Spendenzusagen über mindestens eine halbe Million Mark sein – dabei sind das hier nur die Telegramme, die unser Büro und das Hotel in einem Zeitraum von knapp drei Stunden erreicht haben«, konstatierte Zeppelins kaufmännischer Leiter Ernst Uhland, der sich inzwischen zu der Gruppe gesellt hatte, mit bebender Stimme. »Wenn ich bedenke, wie viele Menschen in Deutschland ja noch gar nicht über die Ereignisse des heutigen Tages informiert sein dürften – ganz ungeachtet der Tatsache, dass viele ihre Spendenbereitschaft wohl lieber in brieflicher Form ausdrücken werden … Also da kommen mit absoluter Sicherheit noch einmal Summen zustande, die weit über die Millionengrenze hinaus schießen werden.«
Der alte Graf vermeinte, sich verhört zu haben und musterte den Mann, der doch ansonsten niemals zu Übertreibungen neigte, erstaunt. »Uhland! Sie reden hier von Millionen …«
»Es sind auch Millionen, Exzellenz«, beharrte der Buchhalter hartnäckig auf seiner Schätzung. »Wie gesagt: M i l l i o n e n «, dehnte er den Begriff absichtlich in die Länge. »Es wird nicht bei einer einzigen bleiben, da bin ich mir ganz sicher. Ein neuer Anfang ist gemacht: es kann also weiter gehen. Zumindest in finanzieller Hinsicht …« setzte Uhland mit einem forschenden Blick auf den Grafen noch hinzu. »Und wie gesagt: es ist erst der Anfang. Denn in einem der Telegramme, das uns aus Berliner Regierungskreisen erreicht hat, ist sogar bereits die Rede von einer Lotterie zugunsten des Luftschiffbaus. Jetzt endlich wollen sie Ihnen eine solche deutschlandweite Lotterie genehmigen, auf die Sie doch schon so lange vergeblich gewartet haben! Und nicht nur das, Exzellenz: sie sollten nur einmal die Zeitungen lesen, die in ihren Extrablättern das ganze deutsche Volk bereits zu Geldspenden aufgerufen haben. Einige dieser Zeitungstexte sind zu unserer Information gleich direkt nach Manzell durchtelegraphiert worden. Eine regelrechte Welle der Anteilnahme ist über uns hereingebrochen. Das ganze deutsche Volk steht hinter
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