Ferdinand Graf Zeppelin
Ihnen, Exzellenz!«
Mit zitternden Händen griff sich Zeppelin wahllos einige der Telegramme aus dem vor ihm auf dem Rezeptionstresen stehenden Waschkorb heraus und setzte sich seinen Zwicker auf die Nasenspitze, um den Inhalt dieser Depeschen mit eigenen Augen zu studieren. Es dauerte nicht lange, bis er die Hände wieder sinken ließ und seine Ehefrau mit einem entgeisterten Gesichtsausdruck bedachte. »Das … das ist in der Tat unglaublich, Bella. Was die Menschen da schreiben und wie sie mir aus allen Teilen von Deutschland ihre Anteilnahme ausdrücken und mich zum Durchhalten auffordern. Da schau nur: sie teilen mir mit, dass ich keinesfalls aufgeben soll. Dass sie zuversichtlich an den Erfolg der Luftschiffe glauben. Dass auch seine Majestät der Kaiser jetzt nicht mehr zögern darf, sondern dass er den Luftschiffbau unter allen Umständen finanziell unterstützen muss. Oder hier: ein Vater schreibt mir von seinem Sohn, der sogar sein Sparschwein geschlachtet hat und mir sein ganzes gespartes Geld schenken möchte!«
»Und hier, Exzellenz: eine Depesche vom Hof in Stuttgart. Seine Majestät, König Wilhelm II. versichert Sie seiner vollen Loyalität und Unterstützung. Mit allen ihm zur Verfügung stehenden Kräften will er sich dafür einsetzen, dass die Produktion von Luftschiffen unverzüglich wieder aufgenommen wird. Noch in diesem Jahr möchte er ein neues Luftschiff, »LZ 5«, am Himmel über dem Bodensee sehen, lässt er Ihnen kabeln. Vom König bis zum kleinsten Arbeiter: alle, wirklich alle wollen, dass Sie weitermachen, Exzellenz! Lesen Sie doch nur diese rührenden Texte! Da ist kein einziger dabei, der etwas anderes ausdrückt, als Mitgefühl und Unterstützung.« Gleich mit beiden Händen griff Uhland nun in den Waschkorb und präsentierte Zeppelin eine Spendenzusage nach der anderen.
»Es ist unfassbar! All diese lieben Menschen!« Es war ein unglaubliches Wechselbad der Gefühle, dem sich der 70-jährige Mann an diesem Schicksalstag des 5. August 1908 ausgesetzt sah. Tränen der Rührung rannen über seine Wangen, bahnten sich ihren Weg durch den eisgrauen Schnurrbart, über das Kinn bis auf den Boden der Eingangshalle des »Buchhorner Hof«. Tränen, deren sich der Graf nicht im Geringsten schämte. »Was für großartige Gesten! Alle wollen mir helfen.«
Isabella von Zeppelin drückte innig die Hand ihres Mannes und fixierte ernst seine tränenfeuchten Augen. »Du wirst also noch einmal beginnen, nicht wahr, Ferdi?«
Nur einen ganz kurzen Moment lang, in dem er fest seine Lippen aufeinander presste, schien Zeppelin unschlüssig, dann nickte er entschlossen. »Ja, ich denke, ich werde noch einmal neu beginnen müssen. Das bin ich den Leuten wohl schlichtweg schuldig. Jetzt erst recht. Ja, doch: Wir werden wieder kommen …«
»… wie der Phönix aus der Asche!« durchbrach der Jubelruf von Luftschiffkapitän Lau nun lautstark Zeppelins Antwort. »Jawohl: wir werden wieder kommen. Ein dreifaches Hoch auf unsere Exzellenz, den tapferen Grafen Zeppelin. Er lebe Hoch – Hoch – Hoch!«
Das hundertfache Echo aus den Kehlen der begeisterten Zeugen dieses wahrhaft historischen Moments der triumphalen Wiederauferstehung eines Traumes, der noch gerade eben scheinbar für immer zu Grabe getragen worden war, brachte sogar die schweren Lüster der kristallenen Deckenleuchten in der Hotelhalle zum Klirren.
Bernhard Lau sollte mit seiner euphorischen Prophezeiung recht behalten: innerhalb von nur wenigen Stunden begann an diesem ereignisdurchtränkten 5. August des Jahres 1908 tatsächlich eine neue Ära der Luftschiffe. Rückblickend betrachtet erwies sich ausgerechnet das verheerende Flammeninferno des LZ 4 in Echterdingen sogar als wahrer Glücksfall. Unglaublich – aber eine Tatsache. In einem beispiellosen Triumphzug sollten die Luftschiffe des Grafen Zeppelin seit diesem schicksalhaften Tag nicht nur den Himmel über dem Bodensee erobern, sondern die Herzen der Menschen in ganz Deutschland. Selbst der Kaiser sah sich angesichts dieser Begeisterungsstürme gezwungen, seine bisherige schroffe Distanz zu dem »Narren vom Bodensee« zähneknirschend zu überdenken.
Aus den Augenwinkeln bemerkte Isabella von Zeppelin die Blässe, die sich plötzlich über das tränennasse Antlitz ihres Mannes breitete. Und jetzt noch dieses seltsame Flackern der Augenlider. Eindeutig. Das waren die ersten Anzeichen eines beginnenden Schwächeanfalls! Geistesgegenwärtig packte sie seinen Oberarm und winkte mit
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