Ferdinand Graf Zeppelin
Kaum waren die Soldaten der Anweisung nachgekommen, da brach es auch schon über sie herein: mit genau derselben brachialen Gewalt, wie bei der Katastrophe von Echterdingen fegte der Sturm über den Boden und prallte auf den Luftschiffkörper. Doch dieses Mal hielten die Verankerungen in der Erde dem Angriff stand, so dass es den Soldaten mit verbissener Anstrengung gelang, das Luftschiff mit seinem Bug direkt in die Windrichtung zu zerren. Jetzt war es sogar hilfreich, dass aus der beschädigten Gaszelle Wasserstoff ausgetreten war, denn damit besaß das Schiff viel weniger Auftrieb, als seinerzeit in Echterdingen.
Keine zwei Minuten vergingen – es schien ihnen allen wie eine halbe Ewigkeit – dann flaute der Sturm bereits wieder ab. Das Schlimmste war überstanden, ihr Schiff war heil geblieben: die Geschichte hatte sich nicht wiederholt! Mit knapper Not waren sie einem Inferno entgangen.
Wenige Stunden später konnte die Rückfahrt nach Manzell fortgesetzt werden – und als sich seinen müden Augen endlich wieder die Silhouette des Bodensees präsentierte, faltete der alte Graf ergriffen die Hände und sprach ein leises Dankgebet.
Nie wieder würde er sich zu einer derart leichtsinnigen Handlungsweise hinreißen lassen, wie bei dieser (im wahrsten Sinn des Wortes) beinahe letzten Fahrt!
In Friedrichshafen angekommen, überreichte ihm Uhland die ersten Zeitungen mit den riesigen Schlagzeilen von der umjubelten Berlinfahrt. Zeppelin legte sie achtlos zur Seite und fischte aus dem zweiten Stapel einen unscheinbaren Brief. Er war in Frankfurt abgeschickt worden und mit der Absenderangabe »Jakob Jacky« versehen. Sofort hellte sich seine Miene auf: »Jakob Jacky. Wie schön!«
Mit vor Rührung glitzernden Augen überflog er die wenigen Zeilen, in denen ihm Jacky noch einmal seinen herzlichsten Dank dafür aussprach, Anfang August aus Anlass seines 53. Geburtstags vom Grafen zur Internationalen Luftfahrtausstellung in Frankfurt eingeladen worden zu sein und dass er sogar in die Gondel des Luftschiffs »LZ 5« habe steigen und sich auch noch neben Graf Zeppelin fotografieren lassen dürfen, das sei »das schönste Geburtstagsgeschenk meines Lebens« gewesen. Zeppelin hatte ihm das Foto rahmen lassen und neulich zugesandt – mitsamt der Aufschrift »meinem einstigen kleinen Führer von 1870«. Tatsächlich hatten die beiden Männer, die beim Kriegsausbruch 1870 auf so schicksalhafte Weise zusammengetroffen waren, schon vor einigen Jahren brieflichen Kontakt miteinander aufgenommen, nachdem Jacky in der Zeitung vom Grafen Zeppelin gelesen hatte, von dem er richtig vermutete, es handele sich um den tollkühnen deutschen Kavallerieoffizier von einst. Einige Male hatten sie sich geschrieben – und schließlich hatte Zeppelin ihn als seinen persönlichen Ehrengast zur Luftfahrtausstellung eingeladen, »ein Tag, den ich niemals mehr vergessen werde, Exzellenz!«
»Wie schön«, lächelte der Graf zufrieden und zeigte seiner Bella anschließend das Schreiben. »Mit so kleinen Gesten kann man einem Menschen eine so große Freude machen.«
»Genau das ist es, was du künftig getrost ein bisschen mehr genießen solltest, mein lieber Männi«, merkte Bella mit ernster Miene an, »schließlich bist du mit 71 Jahren ja wirklich kein junger Springinsfeld mehr, der sich jedem Abenteuer aussetzen muss, nur weil er immerzu meint, seinen Neidern etwas beweisen zu müssen. Eigentlich,« sie bedachte ihren Mann mit einem tiefen Blick, »eigentlich wolltest du dich doch etwas mehr aus der Öffentlichkeit zurück ziehen, hast du selbst doch im vergangenen Winter noch gesagt …«
»Das werde ich nun wirklich wahr machen! Die Ereignisse auf der Rückfahrt werden mir eine Lehre sein.«
Tatsächlich machte Zeppelin seine Ankündigung wahr und überließ die weiteren Aktivitäten mehr und mehr Alfred Colsman und Hugo Eckener. Mit deutlicher Skepsis registrierte er die Tatsache, dass Colsman im November 1909 mit Unterstützung zahlreicher deutscher Oberbürgermeister die »Deutsche Luftschifffahrts AG« kurz »DELAG« gegründet hatte, die künftig einen regelmäßigen Passagierbetrieb zwischen den großen deutschen Städten aufnehmen sollte. »Das kann ich mir nicht vorstellen, dass ein solches Unternehmen auf Dauer profitabel zu führen sein wird. Erst recht, nachdem sich ja Banken, Privatleute und Städte mit drei Millionen Mark daran beteiligen – ein derart unterschiedlich zusammengesetzter Aufsichtsrat kann doch eigentlich
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