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Ferien Auf Saltkrokan

Ferien Auf Saltkrokan

Titel: Ferien Auf Saltkrokan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Lindgren
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hat, als er diese Insel machte. Ich will es ein bißchen gemischt haben, hat er sicher gedacht. Karg soll es sein, rauhe, graue Felsen möchte ich haben. Lieblich soll es sein, grüne Bäume, Eichen und Birken, blühende Wiesen und blühende Sträucher, o doch, denn ich möchte, daß die ganze Insel von rosa Heckenrosen und duftendem Weißdorn überquillt an jenem fernen Junitag in tausend Millionen Jahren, wenn Malin Melcherson dorthin kommt. Ja, lieber Johann und lieber Niklas, ich weiß, was ihr denkt, falls ihr hier schnüffelt, aber das laßt gefälligst sein! Ist es erlaubt, so eingebildet zu sein? Nein, ich bin nicht eingebildet, ich freu mich nur, seht ihr, weil der Herrgott auf den Gedanken kam, Saltkrokan so zu machen und nicht anders, und weil er dann auf die Idee kam, es wie ein Juwel weit draußen am Rand des Meeres hinzulegen, wo es in Frieden gelassen wurde und ungefähr so bleiben durfte, wie er es sich gedacht hatte, und weil ich hierherkommen durfte.
    Melcher hatte gesagt: »Ihr sollt mal sehen, das ganze Dorf ist unten auf dem Anleger, um uns zu begucken. Wir sind bestimmt eine Sensation.«
    Ganz so wurde es doch nicht. Es goß in Strömen, als der Dampfer anlegte, und auf dem Steg standen ein einziger kleiner Mensch und ein Hund. Der Mensch war weiblichen Geschlechts und etwa sieben Jahre alt. Sie stand ganz still, wie aus dem Bootssteg herausgewachsen, der Regen strömte auf sie nieder, aber sie rührte sich nicht. Man könnte meinen, Gott habe sie zugleich mit der Insel geschaffen, dachte Malin, und sie dahin gestellt, als Herrscherin und Hüterin der Insel bis in alle Ewigkeit.
    So klein habe ich mich noch nie gefühlt, schrieb Malin ins Tagebuch, wie in dem Augenblick, als ich vor den Augen dieses Kindes in strömendem Regen und bepackt mit Krempel über die Gangway gehen mußte. Sie hatte einen Blick, der gleichsam alles sah. Ich dachte, das da muß Saltkrokan selbst sein, und wenn dieses Kind uns nicht akzeptiert, dann werden wir nie akzeptiert hier auf der Insel. Darum sagte ich so einschmeichelnd, wie man mit kleinen Kindern spricht: »Wie heißt du?«
    »Tjorven«, sagte sie. Allein so etwas! Kann man wirklich Tjorven heißen und so majestätisch aussehen?
    »Und dein Hund?« fragte ich.
    Da sah sie mir fest in die Augen und fragte ruhig: »Willst du wissen, ob es mein Hund ist, oder willst du wissen, wie er heißt?«
    »Alles beides«, antwortete ich.
    »Es ist mein Hund, und er heißt Bootsmann«, sagte sie, und es war, als ob eine Königin sich herabließe, ihr Lieblingstier vorzustellen. Was für ein Tier übrigens! Es war ein Bernhardiner, der größte, den ich je in meinem Leben gesehen habe. Er war ebenso majestätisch wie sein Frauchen, und ich fing an zu glauben, alle Lebewesen auf dieser Insel seien von der gleichen Art und uns armen Tröpfen aus der Stadt himmelhoch überlegen. Aber da kam eine freundliche Seele angedampft, es war, wie sich herausstellte, der Kaufmann der Insel, und er war offenbar nach gewöhnlichem menschlichem Maß gemacht, denn er begrüßte uns sehr freundlich und hieß uns auf Saltkrokan willkommen und teilte uns mit, er heiße Nisse Grankvist, ohne daß wir zu fragen brauchten. Aber dann sagte er etwas Erstaunliches.
    »Geh nach Hause, Tjorven«, sagte er zu dem majestätischen Kind. Unfaßbar, daß er sich traute, und ebenso unfaßbar, daß er Vater von so einem Kind war! Es nützte jedoch nicht viel. »Wer hat das gesagt?« fragte das Kind streng. »Hat Mama das gesagt?«
    »Nein, ich sag es«, antwortete ihr Vater.
    »Dann tu ich es nicht«, sagte das Mädchen. »Denn jetzt muß ich den Dampfer in Empfang nehmen.«
    Und der Kaufmann sollte Waren aus der Stadt entgegennehmen und hatte wohl keine Zeit, sich mit seiner aufmüpfigen Tochter abzugeben, denn die stand noch immer dort im Regen, während wir all unser Sack und Pack zusammensammelten. Wir waren sicherlich in diesem Augenblick ein jämmerlicher Anblick, und Tjorven entging nichts. Ich spürte ihre Augen im Rücken, als wir lostrotteten zum Schreinerhaus.
    Und es gab hier noch mehr Augen als die von Tjorven. Hinter den Gardinen an den Fenstern in allen Häusern an der Dorfstraße gab es überall Augen, die unserer durchweichten Karawane folgten – vielleicht waren wir dennoch eine Sensation, wie Papa gesagt hatte. Er begann etwas bedenklich dreinzuschauen, stellte ich fest. Und wie wir so dahingingen und der Regen am allerheftigsten niederrauschte, fragte Pelle: »Papa, weißt du, daß es im

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