Ferien Auf Saltkrokan
mein Junge. Bis dahin haben wir allesamt mächtigen Hunger. Und könnt ihr raten, was wir dann tun?«
»Essen«, schlug Niklas vor.
»Richtig. Wir setzen uns vors Haus in die Sonne und verspeisen das wunderbar gute kleine Mahl, das Malin für uns bereitet hat. Im grünen Gras, versteht ihr? Wir sitzen nur da und fühlen, daß Sommer ist!«
»Oh«, sagte Pelle, »jetzt brülle ich gleich.«
Doch dann beschloß er, etwas anderes zu unternehmen. Es sei noch eine Stunde bis zur Ankunft, hatte sein Vater gesagt, und es gab wohl auch auf diesem Dampfer noch allerlei zu tun. Das meiste hatte er bereits erledigt. Er war alle Treppen hinauf-und hinuntergeklettert und hatte in alle aufregenden Winkel und Ecken geguckt. Er hatte die Nase in die Steuermannskajüte gesteckt und war weggejagt worden. Er hatte einen kleinen Besuch im Eßsalon gemacht und war weggejagt worden. Er hatte versucht, zum Kapitän auf die Kommandobrücke zu kommen und war weggejagt worden. Er hatte von oben in den Maschinenraum geschaut und sich alle Räder und Pleuelstangen angesehen, die da stampften und sich drehten. Er hatte sich über die Reling gebeugt und in den gischtenden weißen Schaum gespuckt, den der Dampfer aufriß. Er hatte Brause getrunken und auf dem Achterdeck Zimtwecken gegessen. Er hatte kleine Brocken davon den hungrigen Möwen zugeworfen. Er hatte sich mit fast allen Menschen an Bord unterhalten. Er hatte ausprobiert, wie schnell er von vorn nach hinten rennen konnte, und er war jedesmal der Schiffsbesatzung in den Weg gelaufen, wenn der Dampfer an einem Bootssteg anlegte und Frachtgüter und Gepäck ausgeladen wurden. Ja, er hatte alles getan, was ein siebenjähriger Junge an Bord eines Schärendampfers gewöhnlich tut.
Jetzt sah er sich nach etwas Neuem um, und da entdeckte er zwei Fahrgäste, die er bisher noch nicht bemerkt hatte. Ganz hinten auf dem Achterdeck saß ein alter Mann mit einem kleinen Mädchen. Und neben dem Mädchen auf der Bank stand ein Vogelbauer mit einem Raben darin. Einem lebendigen Raben. Das brachte Pelle in Bewegung. Er liebte nämlich alle Arten Tiere, alles, was lebendig war und sich bewegte, was unterm Firmament des Himmels flog oder kroch, alle Vögel und Fische und Vierfüßer. »Kleine liebe Tierlein«, nannte er sie alle miteinander, und dazu zählte er auch Frösche und Wespen, Heuschrecken und Käfer und anderes Gewürm.
Aber im Augenblick war da also ein Rabe, ein lebendiger Rabe!
Das kleine Mädchen lächelte ihn mit einem freundlichen zahnlosen Lächeln an, als er vor dem Käfig stehenblieb.
»Ist das dein Rabe?« fragte er und steckte einen Zeigefinger zwischen die Gitterstäbe, um den Raben womöglich ein bißchen zu streicheln. Das hätte er lieber nicht tun sollen. Der Rabe hackte nach ihm, und er zog die Hand schnell wieder zurück.
»Nimm dich vor Kalle Hüpfanland in acht«, sagte das Mädchen. »Ja, es ist mein Rabe. Nicht wahr, Großvater?«
Der Alte neben ihr nickte.
»Sicher! Sicher ist es Stinas Rabe«, erklärte er Pelle.
»Jedenfalls, wenn sie bei mir auf Saltkrokan ist.«
»Ihr wohnt auf Saltkrokan?« fragte Pelle begeistert. »Da wohne ich diesen Sommer auch. Ich meine, wir wohnen auf Saltkrokan, Papa und wir alle.«
Der Alte betrachtete ihn mit Interesse.
»Soso, sieh mal einer an. Dann seid ihr wohl die Leute, die das alte Schreinerhaus gemietet haben?«
Pelle nickte eifrig. »Ja, die sind wir. Ist es da schön?«
Der alte Mann legte den Kopf schief und sah aus, als ob er nachdächte. Dann brach er in ein komisches glucksendes Lachen aus.
»Sicher! Sicher ist es schön! Kommt bloß drauf an, was man mag.«
»Wieso?« fragte Pelle.
Der Alte gluckste von neuem.
»Ja, entweder mag man es, wenn's durchs Dach regnet, oder man mag es nicht.«
»Oder man mag es nicht «, echote das kleine Mädchen. »Ich mag es nicht .«
Pelle wurde ein wenig nachdenklich. Das mußte er Papa erzählen. Doch nicht gerade jetzt. Jetzt mußte er sich zuerst den Raben ansehen, das war unbedingt nötig. Stina zeigte ihn gern, das merkte man. Es machte bestimmt Spaß, wenn man einen Raben hatte, den sich die Leute ansehen wollten und am liebsten ein großer Junge wie er. Stina war zwar nur ein kleines Mädchen, höchstens fünf Jahre alt, aber um des Raben willen war Pelle bereit, sie für diesen Sommer, oder jedenfalls so lange, bis er etwas Besseres gefunden hatte, zu seiner Spielkameradin zu machen.
»Ich komm dich mal besuchen«, sagte er gnädig. »In welchem Haus wohnt ihr
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