Fesseln der Sehnsucht
ziepte, und seufzte verzweifelt. Sie hatte eine gesetzte, wohl überlegte Aussprache geplant, in der sie alle ihre Differenzen auf den Tisch bringen wollte. Sie hatte sich vorgestellt, ein Bild ruhiger, gelassener Überlegenheit abzugeben, wenn sie ihm gnädig verzieh; stattdessen kauerte sie halb nackt mit wirren Haaren vor dem Kamin auf dem Boden.
»Ich wollte mir die Haare trocknen und hab mich im Gitter verfangen«, erklärte sie und kam sich so töricht und lächerlich vor, dass sie hilflos zu kichern begann. Heath, der ihre Heiterkeit nicht zu teilen vermochte, kauerte sich neben sie und nahm ihre Hände vom Kamingitter.
»Lass mal. Ich mach das schon.«
»Ich glaube, da ist nichts mehr zu retten«, meinte Lucy kichernd. »Auf die paar Haare kann ich verzichten.
Schneide sie doch einfach ab.«
»Still.«
Nur mit Mühe bezwang sie ihre nervöse Heiterkeit und sah zu, wie er sich sorgsam bemühte, das verfilzte Haar freizukriegen. »Ich habe Rückenschmerzen«, klagte sie. »Ich knie schon seit zehn Minuten in dieser verdrehten Stellung.« Als sie keine Antwort erhielt, schwieg sie und verfolgte seine Bemühungen, bis ihr der Rücken wirklich wehtat. »Heath, ich halte es nicht länger aus.«
»Lehn dich an mich.«
»Dein Hemd wird feucht von meinen nassen Haaren.«
Ohne auf ihren halbherzigen Protest zu achten, setzte er sich, griff mit den Armen um ihre Schultern und machte weiter. Lucy blieb nichts anderes übrig, als den Rücken an seine Brust zu lehnen und den Kopf an seiner Schulter zu bergen. Gelegentlich spürte sie, wie seine raue Wange ihre Schläfe berührte, als er sich mit peinlicher Sorgfalt mit der Befreiung ihrer Haare beschäftigte. Ein leiser Duft nach Rasierseife, gemischt mit Wäschestärke, Druckerschwärze, Papier und der Wärme seiner männlichen Haut ging von ihm aus. Diese Duftmischung setzte sie nur mit Heath in Verbindung und erfüllte sie mit Wärme und Geborgenheit.
»Ich habe mit Damon gesprochen«, begann Heath.
Lucy spannte sich ein wenig an, in ihrer misslichen Lage konnte sie sein Gesicht jedoch nicht sehen. »Hat er dir alles erzählt?«
»Wie ich ihn kenne, wohl nicht alles. Aber genügend.«
»Heath, ich habe ein paar Fragen …«
»Das kann ich mir denken. Aber zuvor will ich dir eine Frage stellen.«
»Frage mich, was immer du möchtest. Ich will, dass wir offen und wahrhaftig miteinander umgehen.«
»Das will ich auch. Ich habe dich nie belogen.«
»Du hast mir Dinge verschwiegen, die ich hätte wissen müssen. Das ist zwar keine Lüge, ist aber auch nicht die Wahrheit.«
»Ich musste dir die Wahrheit verschweigen«, entgegnete Heath leise. »Wie ich dich kenne, hättest du einen Tobsuchtsanfall bekommen, wenn du gewusst hättest, dass Raine noch in der Stadt ist. Nachdem ich ihre Nachricht erhalten hatte und mir klar wurde, dass sie nicht abreisen würde, ehe sie eine Unterredung mit mir durchsetzte, hielt ich es für angebracht, die Sache allein zu regeln. Cinda, ich weiß, welchen Eindruck du haben musstest, aber du glaubst doch nicht wirklich, dass Raine und ich …?« Er führte den Satz nicht zu Ende, doch Lucy wusste, wie er lauten würde.
»Nein«, antwortete sie schlicht und spürte, wie er sich erleichtert entspannte. »Ich glaube nicht, dass du mich je betrügen würdest, selbst wenn du in eine andere Frau verliebt wärst. Du bist ein Ehrenmann. Du hast zu viel …«
»Ich bin nicht verliebt in sie.«
»Das … habe ich auch nicht vermutet.«
»Ich war auch nie in sie verliebt.«
»Dennoch hättest du mir nicht verschweigen dürfen, dass sie immer noch in der Stadt ist.«
»Zu dem Zeitpunkt erschien es mir das vernünftigste.«
»Ich verstehe«, sagte sie bedächtig. »Aber als mir zu Ohren kam, Raine sei in der Stadt gesehen worden, hatte ich Angst, ich könnte dir nie wieder vertrauen. Wenn wir uns scheuen, ehrlich miteinander umzugehen … dann ist unsere Ehe eine Farce.«
»Sag das nicht.« Heath unterbrach seine Tüftelei, wölbte die Hände unter ihre Brüste, die aus dem verknoteten Badetuch zu rutschen drohten, und zog sie an sich. »Du musst mir vertrauen. Ich bin der einzige Mensch auf der Welt, dem dein Glück wichtiger ist als sein eigenes.«
Lucy umfing seine Hände mit den ihren, ihr Herzschlag hatte sich bei seinen Worten beschleunigt. »Ich möchte, dass du dieses Vertrauen auch mir entgegenbringst«, sagte sie. »Das liegt mir von allem, was ich dir heute Abend sagen wollte, am meisten am Herzen. Und wenn du dazu
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