Fesseln der Sehnsucht
sich.«
Damon gab ihren Ellbogen frei und fuhr sich mit der Hand durchs Haar. Er war ratlos. »Moment! Warten Sie! Ich sage nur dem Lokalchef Bescheid und bin in zwei Minuten wieder da. Ich begleite Sie. Bleiben Sie.« Er stieß die Tür zum Redaktionsbüro auf, stürmte durch den Raum, bellte ein paar Anweisungen und eilte zurück auf den Flur.
Dort hatte der Portier wieder Posten bezogen, ansonsten war der Flur leer. »Wo ist die Dame?«, fragte Damon schroff.
»Ich fürchte, ich weiß es nicht, Mr. Redmond. Sie ging gleich, nachdem Sie zurück in die Redaktion eilten.«
Unter gotteslästerlichen Flüchen stürmte Damon auf die Straße, zerrte den erschrockenen Reporter am Kragen aus der Droschke, die er gerade besteigen wollte, und gab dem Fahrer Anweisung, im Eiltempo zum Parker House zu fahren!
Heath zog eine dunkle Braue hoch und betrachtete Raine mit einem kühlen Blick seiner blaugrünen Augen, den sie unverwandt und ohne in Verlegenheit zu geraten erwiderte. Das Oval ihres schönen Antlitzes schimmerte hell und rein vor dem Hintergrund der in matten Rottönen gehaltenen Ausstattung des eleganten Restaurants. Der Ober bewegte sich lautlos und füllte die Kristallgläser mit Tafelwasser auf dem blütenweiß gedeckten Tisch. Nachdem er sich zurückgezogen hatte, sprach Heath mit gedämpfter Stimme.
»Wenn es nur um mich ginge, könntest du in Boston leben. Du könntest in derselben Straße wohnen und es würde mich nicht stören. Es wäre mir völlig einerlei.«
»Du kannst mir nicht einreden, dass du keine Gefühle für mich im Herzen hast.«
»Soll ich ehrlich sein? Vielleicht ein paar Kratzer. Mehr aber nicht.«
»Auch keine Wut?«, fragte sie und beobachtete ihn scharf. »Es fällt mir schwer, das zu glauben.«
»Ich war lange genug wütend auf dich, doch dann begann ich zu verstehen, warum du es getan hast – warum du Clay geheiratet hast, warum du mich nach dem Krieg nicht in der Nähe haben wolltest …«
»Aber ich wollte dich! Ehrlich!« Ein schriller Ton schlich sich in ihre Stimme. »Mein Gott, wie sehr wünschte ich, diesen Tag aus meinem Leben streichen zu können. Ich wollte alles zurücknehmen, was ich damals gesagt habe – ich habe kein Wort davon ernst gemeint. Ich wollte dich nicht verletzen. Ich wollte dich nie verletzen. Aber ich war so voller Kummer und Sorgen und am Ende meiner Nervenkraft, dass ich keine Rücksicht auf deine Gefühle nehmen konnte. Wir alle waren damals gezwungen, eigennützig zu denken und zu handeln … auch du!«
»Ja, auch ich war eigennützig«, wiederholte Heath bedächtig.
»Dann verstehst du also …«
»Ich habe dich vor langer Zeit bereits verstanden und dir verziehen.«
»Und was hält uns nun davon ab, wieder zusammen zu sein?«, fragte sie verständnislos.
»Ich bin verheiratet, wenn ich dich daran erinnern darf.«
»Ich verlange ja nicht von dir, dich scheiden zu lassen. Mir geht es nicht um den Ehering … Ich will nur dich. Ich bleibe hier und du kommst zu mir, wann immer du mich brauchst. Meine Arme sind für dich offen.«
»Ich brauche deine Arme nicht. Nachdem mein Zorn sich gelegt hatte, legten sich auch alle anderen Empfindungen für dich.« Heath machte eine Pause, da er sich scheute, grob und unverblümt zu sein, doch Raine ließ ihm keine andere Wahl. »Ich habe aufgehört, an dich zu denken.«
»Das glaube ich dir nicht.«
»Es ist mir einerlei, was du glaubst, solange du Boston in den nächsten vierundzwanzig Stunden verlässt.«
»Aber wenn es dich nicht stört, ob ich bleibe oder nicht …«
»Meine Frau stört es und nur das zählt. Wenn ich dich persönlich an Bord des nächsten Schiffes bringen und in deine Kabine einschließen muss, so tue ich es. Du kannst überall auf der Welt wohnen, nur nicht in Massachusetts.«
»Lucinda wird dich nicht dein ganzes Leben lang glücklich machen können. Bald wirst du dich nach einer Frau sehnen, die dich versteht, eine Frau aus deiner Heimat, eine Frau, mit der du über alte Zeiten sprechen kannst. Mit Lucinda verbindet dich keine Vergangenheit. Aber mit mir.«
Heath hätte ihr hundert Antworten geben können und ebenso viele Erklärungen – wie wenig ihm die alten Zeiten bedeuteten, wie wunderbar Lucy ihn verstand und wie überaus glücklich sie ihn machte. Er hätte Raine versichern können, wie glücklich er mit seinem Leben in Boston war, welche Befriedigung ihm sein Erfolg als Zeitungsverleger verschaffte. Doch eigentlich war nur wichtig, dass Raine eines begriff
Weitere Kostenlose Bücher