Fesseln der Sehnsucht
gelogen.«
»Ich hätte nicht anders gehandelt, wenn zu befürchten wäre, Sie zu verlieren.«
Diese Antwort hätte Lucy nicht von Damon erwartet. »Ich glaube Ihnen nicht. Sie sind ein Gentleman. Sie würden nicht lügen … oder doch?«
Er seufzte. »Wenn man zu hohe Erwartungen in andere setzt, stehen sie vor der schwierigen Aufgabe, Lucy, diese Erwartungen auch zu erfüllen. Wir alle machen Fehler … und soweit ich beurteilen kann, macht Heath weniger Fehler als die meisten Menschen.«
»Wollen Sie damit sagen, ich soll ihm verzeihen, dass er mich belogen hat?«
»Sehen Sie es doch mal von dieser Seite: Wieso sollte Heath das Risiko eingehen, Ihnen mitzuteilen, dass Raine sich noch in Boston aufhält, wenn er guten Grund hatte anzunehmen, Sie erfahren nie davon? Nach dem Motto: Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß.«
»Sie versuchen nur, seine Unaufrichtigkeit zu rechtfertigen!«
»Ich versuche zu erklären, warum er Ihnen etwas verschwiegen hat. Er wollte das Problem lösen und Sie davor bewahren …«
»Diese Art Rücksichtnahme brauche ich nicht.«
»Sagen Sie es ihm, denn er wird auf Sie hören.«
»Woher wissen Sie das?«, fragte sie und putzte sich geräuschvoll die Nase.
»Ich kenne keinen Mann, der so sehr auf seine Frau hört wie Heath.«
»Damit will er sich nur Ärger ersparen.«
»Nein. Nein, darum geht es nicht. Lucy …« Damon lachte kläglich. »Grundgütiger, er bringt mich um, wenn er je erfährt, was ich Ihnen jetzt sage. Aber Sie müssen es wissen, es wäre nicht richtig, Ihnen das jetzt noch zu verschweigen. Lucy, Heath hatte nie vor, länger als ein paar Monate in Massachusetts zu bleiben. Er blieb nur wegen Ihnen. Sie sind der Grund, warum er das Haus in Concord kaufte und später den Examiner. Sie sind der Grund, warum er beschloss, in Neuengland zu bleiben, statt zurück in den Süden zu gehen.«
»W… wie bitte? Das kann nicht stimmen.«
»Ich schwöre es auf die Bibel. Er besuchte mich, kurz bevor er Neuengland verlassen wollte. Er sagte, er ginge für immer, da er nicht gefunden habe, was er suchte; und ich glaubte, ihn das letzte Mal gesehen zu haben. Er wirkte wie ein Mann, der keine Wurzeln mehr hatte. Viele Kriegsveteranen fühlen sich entwurzelt irren ziellos in der Gegend umher. Manche von ihnen wandern die Bahngleise entlang, springen auf Güterwagen und lassen sich von einem Ort zum anderen befördern, ohne je wieder sesshaft zu werden.«
»Heath würde niemals so enden.«
»Nein, aber es war etwas in seinem Ausdruck … er wirkte verloren … heimatlos … Ich kann es nicht erklären. Als ich ihn das nächste Mal wieder sah, war das wie weggewischt. Einen Monat später besuchte Heath mich noch einmal und erzählte mir, er habe ein kleines Haus in Concord gekauft. Er sagte, er wisse jetzt welches Mädchen er heiraten werde, und dann machte er den absurden Vorschlag, wir beide sollten den Examiner kaufen, mit dem es zu der Zeit rapide bergab ging.« Damon lachte leise. »Ich gehe mit Geld nicht leichtfertig um, und zu dem Zeitpunkt war ich ziemlich knapp und hatte mir fest vorgenommen, vorsichtig mit meinen Investitionen zu sein. Doch Heath schaffte es, mich zu überreden, in das Geschäft einzusteigen, und dann tauchte er mit Ihnen als seine Ehefrau in Boston auf.«
»Augenblick mal … sagten Sie, er wusste, welches Mädchen er heiraten werde, kurz nachdem er das Haus in Concord gekauft hatte?«
»Ja, das war Ende Mai. Er nannte mir sogar Ihren Namen.«
»Aber … aber das war lange bevor wir uns kennen lernten«, meinte Lucy verblüfft.
Ihre Gedanken flogen zurück zu jenem Januartag, als Heath sie halb ertrunken aus dem eisigen Fluss gezogen hatte. Das Haus in Concord hatte er im Sommer davor gekauft. »Damals hat er mich nur durchs Schaufenster im Laden meines Vaters oder beim Überqueren der Straße gesehen … Und Sie sagen, er habe damals bereits gewusst …«
»Das, was er gesehen hat, muss ihm wohl ausnehmend gut gefallen haben«, meinte Damon schmunzelnd. »Ich versuche, Ihnen damit nur klarzumachen, dass er alles für Sie getan hat. Sie sind der Grund für sein neues Leben.
Im Übrigen sind Sie auch der Grund, warum ich Chefredakteur des Examiners wurde. Wenn Sie nicht gewesen wären, hätte Heath mich nie dazu überredet, die Zeitung zu kaufen.« Damon sah sie forschend an. »Fühlen Sie sich jetzt besser? Nein? Dann erzähle ich Ihnen noch etwas … Egal, wie die Dinge erscheinen mögen, nur ein Narr würde denken, Heath
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