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Fesseln der Sünde

Fesseln der Sünde

Titel: Fesseln der Sünde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Campbell
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zusätzlichen Mitglied ihrer Reisegesellschaft hielt? Er wusste, er würde es bald herausfinden. Nur weil Akash dazu noch nichts gesagt hatte, bedeutete das nicht, dass er nichts zu sagen hätte.
    Das Mädchen blieb stehen, als erwartete sie von Gideon, dass er ihr die Hand zum Einsteigen reichte. Was abermals auf ein privilegiertes Leben schließen ließ. Als Gideon darauf nicht reagierte, stieg sie allein in die Kutsche.
    Tulliver folgte ihnen mit seinem kräftigen Pferd und mit Khan und band beide hinten an der Kutsche an. Gideon warf einen letzten Blick auf den Hof, über den der Wind fegte. Anscheinend schenkte ihnen niemand Beachtung.
    In einer eisigen Nacht wie dieser war jeder, der nicht draußen sein musste, bemüht, ein warmes Plätzchen zu finden. Die wenigen Bediensteten, die sich im Freien aufhielten, schienen sich um ihre eigenen Angelegenheiten zu kümmern. Dennoch, die alten Gewohnheiten waren Gideon in Fleisch und Blut übergegangen, und so nahm er jedes Detail der Szenerie in sich auf.
    Tulliver stellte sich neben ihn. »Sind Sie bereit, Mylord?«
    »Ja.« Ein letzter, vergewissernder Blick, doch niemand schien an ihrer kleinen Reisegesellschaft besonders interessiert zu sein. »Machen wir uns auf den Weg.«
    »Sehr gut.«
    Tulliver nahm auf dem Kutschbock Platz, und Gideon bestieg die Kutsche, wo ihn die geheimnisvolle, scharfzüngige Miss Watson mit ihren verängstigten Augen erwartete.
    Während er ihre zerzauste Gestalt musterte und sie steif auf der mit Leder bezogenen Bank hockte, wurde ihm plötzlich zum ersten Mal bewusst, dass er seit langem wieder etwas anderes verspürte als gelangweilte Abscheu vor sich selbst. Sie löste bei ihm Neugierde aus, Besorgnis, Fürsorge.
    Miss Watson vollbrachte auf sehr merkwürdige Weise Wunder. Lange schon lebte er ein solch erbärmliches Leben, dass selbst ein Gefühl wie dieses sich wie die Eisschmelze im Frühjahr nach einem schier endlosen Winter anfühlte.
    Er sank in den gegenüberliegenden Sitz und schloss die Augen zu einem vorgeblichen Schlummer, wobei er sich fragte, welch unerwartete Folgen seine impulsiven Handlungen noch nach sich ziehen würden. Tulliver trieb die Pferde mit einem lauten Ruf und einem Peitschenhieb an, und die Kutsche setzte sich ruckartig in Bewegung. Holpernd fuhren sie vom Hof des Gasthauses hinaus in die eisige Winternacht.

2

    Schreckliche Bilder verfolgten Charis in ihren Träumen. Immer und immer wieder schlugen die Fäuste von Hubert auf sie ein, während Felix hämisch grinsend zuschaute. Ihr wurde der Arm verrenkt. Der abschließende Schlag gegen den Kopf ließ sie ins Vergessen taumeln.
    Als sie ihre geschundenen Augen öffnete und die von der Laterne beschienenen Umrisse der schäbigen Kutsche erkannte, erwartete sie, das Echo ihrer Schreie zu hören. Die einzigen Geräusche jedoch waren das Knarren der Kutsche und das Heulen des Windes. Sir Gideon lag ausgestreckt ihr gegenüber und schien zu schlafen.
    Angenehm wohltuende Erleichterung durchströmte sie, und zitternd holte sie tief Luft, was einen stechenden Schmerz ihrer geprellten Rippen auslöste. Im Augenblick war sie vor Felix und Hubert sicher.
    Zittrig und den Tränen nahe, kauerte sie sich in die Ecke, als wollte sie noch immer den Schlägen ausweichen. Das Schaukeln des Gefährts ließ ihren Kiefer qualvoll pochen. Ihr verletzter Arm war starr vor Schmerz, und sie unterdrückte ein Stöhnen, als sie ihn gegen ihre bebende Brust hielt.
    Lange Minuten vergingen, in denen sie gegen die schwindelerregende Pein ankämpfte, doch allmählich wurde ihr Kopf klarer und ihre Atmung gleichmäßiger. Mit ihrem unverletzten Arm schlang sie den Mantel um sich wie eine Decke und richtete ihre Aufmerksamkeit auf ihren Begleiter. Er hatte seinen schlanken Körper mit einer solch eleganten Hingabe ihr gegenüber ausgestreckt, dass ihr albernes Herz anfing zu rasen.
    Und das nicht aus Angst, wie sie beschämt feststellen musste.
    Als sie losfuhren, hatte sie sich auf ein Verhör eingestellt, doch Sir Gideon hatte es sich auf der Bank bequem gemacht, die Arme auf der Rückenlehne ausgebreitet, die Beine in die Ecke gestreckt und die Augen geschlossen. Es sah so aus, als hätte er sich seitdem kaum bewegt.
    Ihn so zu beobachten schürte eine ungeziemende Vertrautheit, obwohl sein Gesichtsausdruck selbst jetzt noch Zurückhaltung und Verschlossenheit verriet. Eine Locke seines schwarzen Haares fiel über seine Augenbraue, was ihn hätte verletzlich wirken lassen können.

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