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Fest der Fliegen

Fest der Fliegen

Titel: Fest der Fliegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Heidenreich
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daran dachte, nach allem vielleicht seinem Vater zu begegnen, den er nie kennengelernt hatte. In seiner Jacketttasche vibrierte und schnarrte sein Telefon. Er wagte nicht, danach zu greifen, sein linker Wächter bückte sich, fischte es heraus, neigte den Kopf und las das Display ab. Er nahm das Gespräch an und entfernte sich ein paar Schritte in den Raum. »Nein, Frau Matt. Hier spricht nicht Ihr Herzensschatz. Er sitzt vielmehr vor mir und hat eine lebensverkürzende Spritze an seinem Hals. Er rührt sich nicht. Er wehrt sich nicht. Er ist ein Angsthase, der sich in den Sessel duckt. Wie wäre es, wenn Sie sich ihn ansehen? So zahm kennen Sie ihn bestimmt nicht. Möchten Sie ihn nicht retten? Verlangt das die Liebe nicht? Leider ist er ohne Zweifel ein Diener Satans, und die Inquisition hat ihn zur inneren Verbrennung verurteilt. Sie könnten ihn davor bewahren, wenn Sie herkommen.« »Nein, Martina!«, schrie Swoboda und bog seinen Oberkörper von der Injektionsnadel weg. Burton schaltete das Telefon aus und warf es hinter sich ins Zimmer: »Ihr Scheiterhaufen ist errichtet.« »Sie werden mich doch sicher nicht ohne Absolution oder den Segen des Erzengels oder wen immer Sie gerade zur Hand haben in die Hölle fahren lassen, Mister Burton?« »Engel segnen uns nicht, Swoboda, Engel helfen uns, Engel nehmen uns an der Hand, Engel reichen uns das Schwert!« »Ihnen reicht kein Engel ein Schwert! Sie sind ein jämmerlicher, überheblicher Missionar, Burton. Sie haben sich selbst zum Retter der Welt ernannt, Ihnen steht nichts zur Seite außer Ihrem Ehrgeiz und Ihrer lächerlichen Anmaßung!« Er spürte, wie in dem Mönch an seiner rechten Seite das Zittern zunahm, es übertrug sich auf den Sessel, die Nadelspitze kratzte an Swobodas Hals.
    Burton näherte sich ihm, hob seinen Kopf. Im Halblicht unter der Kapuze kamen die grauen, scharfen Züge seines Gesichts zum Vorschein. »Du dummer, kleiner Polizist. Was weißt du schon von Engeln und Teufeln. Es geht nicht um dich und mich. Es geht um die Menschheit! Einst hat Jesus Christus alle unsere Sünden auf sich genommen. Doch seither sind sie wieder gewachsen, sie haben sich angesammelt und aufgehäuft, die Sündenlast ist größer als zur Zeit des Herrn, größer als in Sodom und Gomorrha! Sie ist unermesslich, und wieder muss einer sie auf seine Schultern laden. Mich hat die Jungfrau dafür ausersehen. Aber ich fühle mich zu schwach, noch mehr zu tragen! Die Menge der Sünden darf nicht mehr anwachsen! Denn wenn ich unter ihrem Gewicht zerbreche, Swoboda – wenn dies geschieht – – werden wir alle untergehen!« »Sie tragen bloß die Verantwortung für ihre eigenen Verbrechen! Die Morde Ihrer Inquisition wiegen schwer genug.« »Es gibt keine Verbrechen der Inquisition! Wir handeln in Stellvertretung des Erzengels Michael! Wir sind seine irdischen Hände! Denn der Engel bedarf unseres rächenden Arms, um sein Werk zu vollenden!« Swoboda sah eine Chance darin, mit dem Streit Zeit zu gewinnen. »Wie gut, dass man den Erzengel nicht fragen kann, was er dazu meint. Ich vermute, er hält Sie für gefährliche Spinner.« Burton verlor die Beherrschung. Er lief gestikulierend vor Swoboda auf und ab, ein außer sich geratener Richter der Welt.
    »Es soll also ungesühnt bleiben, wenn einer Maria auf die Bühne stellt, die, Gott erbarme sich meiner, ein lüsterne, gierige, hinterhältige Hure ist, und unseren Herrn Jesus, als, Gott erbarme sich meiner, schwulen, lungenkranken Schwächling? Es soll ungesühnt bleiben, wenn einer die Kinder Gottes, in ihrem wehrlosen Zustand als eben empfangenes Lebenswunder, seinen unmenschlichen Experimenten unterwirft, sie quält und aushöhlt und ihre Seele zerstört, noch bevor sie geboren sind? Wir sollen die Schamlosigkeit eines Malers unwidersprochen hinnehmen, der an das heilige Kreuz Kühe und Ziegen und Frösche nagelt, ihnen Heiligenschein und Dornenkrone über den Kopf malt und das als Hinweis auf Gottes Schöpfung ausgibt? Wir sollen lammfromm hinnehmen, wenn jemand verbreitet, dass Maria als Mädchen, Gott sei meiner Seele gnädig, von ihrem Vater vergewaltigt wurde und Christus die Frucht dieser Inzucht war? Ja? Diese Blasphemien sollen wir hinnehmen? All diese Gotteslästerer, die Marias Herz bluten lassen, unaufhörlich bluten, die ihr Qualen bereiten, als hätte sie nicht genug gelitten, die Göttliche, das alles soll geschehen, ohne dass ein aufrechter Christ Einhalt gebietet? Du maßt dir an, mir zu sagen, was gut

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