Feste feiern, wie sie fallen (German Edition)
Lächeln, bei dem sie viele Zähne zeigte, sie küsste gut und machte ihm nie Vorwürfe, wenn er sich monatelang nicht bei ihr gemeldet hatte. Aber sie stellte auch keine Herausforderung dar, und genau das hätte er eigentlich gerade gebraucht. Den Tanz hin zur körperlichen Annäherung. Das Spiel und die Verführung, durch die er sich lebendig fühlte und die seine übrigen Gefühle für eine Weile verdrängten. Mit Lydia hingegen war es zu einfach. Bei ihr wusste er schon, wie die Sache ausgehen würde. Und genau deswegen mochte Sebastian eigentlich keine Wiederholungen, so nett Lydia auch war.
Jetzt lag sie hinter ihm und umarmte ihn. Er wusste, dass er ihr diese Nähe im Gegenzug bieten musste, so lautete ihre stille Übereinkunft, auch wenn er nicht verstand, was sie daran fand, sich an ihn zu pressen und seinen Nacken anzublicken. Diese Umarmungen waren in erster Linie heiß, verschwitzt und unangenehm. Er starrte an die Wand, ohne ihre Berührung zu erwidern, und spürte eine wachsende Nervosität. Die Nacht mit Lydia hatte seine Angst nur noch gesteigert. Wo sollte er bloß hingehen, um die Nächste zu finden? Es war halb acht am Morgen des Heiligen Abends. Heute jemanden aufzugabeln, würde noch schwieriger werden als gestern, um nicht zu sagen unmöglich.
«Was hast du heute vor?», fragte Lydia sanft.
«Weiß nicht. Mir einen ruhigen Tag machen, glaube ich», log Sebastian ungerührt.
«Du kannst auch hierbleiben, wenn du willst. Ich habe keine Pläne.»
Das wurde ja immer bunter. Doch vermutlich fühlte sich Lydia an Weihnachten auch einsam. Vor wichtigen Festtagen alte Geschichten wieder aufzuwärmen, war brandgefährlich, das wusste er. Zu solchen Zeiten waren alle verzweifelt und liefen Gefahr, zu viel in zwischenmenschliche Beziehungen hineinzuinterpretieren, ganz gleich, wie gering ihre Ansprüche sonst waren.
Sebastian spürte, wie sich ihm der Hals zuschnürte. Was war das nur mit diesem bescheuerten Weihnachten?
Demonstrativ stieg er aus dem Bett und begann sich anzuziehen.
«Ich glaube, das ist keine gute Idee. Ich feier nicht besonders gern Weihnachten.»
Sie entgegnete nichts, sondern stand nur schweigend auf und ging ins Badezimmer. Vermutlich hatte er sie verletzt. Schließlich hatte sie ihm nur eine einfache Frage gestellt. Noch dazu eine freundliche. Er war derjenige, mit dem etwas nicht stimmte, der nicht ganz normal war. Etwas mehr menschlicher Umgang täte ihm wirklich gut, aber die Einzige, mit der er sich so etwas vorstellen konnte, war Vanja Lithner. Seine Kollegin und Tochter, die nicht wusste, dass sie seine Tochter war und es auch nie erfahren würde. Sie hatte bereits einen Vater, Valdemar, den sie viel zu sehr liebte, als dass Sebastian mit ihm hätte konkurrieren können. Die Wahrheit würde ihr gesamtes Leben auf den Kopf stellen. Sie brechen. Das wollte er nicht, dafür mochte er sie viel zu sehr. Und echte Väter machten ihren Töchtern nicht das Leben kaputt. Er dagegen hatte ihr nicht mal einen Weihnachtsgruß geschickt. Wie sollte er sich jemals als Vater fühlen, wenn er nicht mal diese einfachen Gesten hinbekam? Er war gezwungen, irgendwo anzufangen. Als er sein Hemd angezogen hatte, holte er sein Handy aus der Tasche und schrieb einen möglichst schlichten Text. So mussten Weihnachtsgrüße sein. Nicht unbedingt im Stile Kierkegaards. Dann verschickte er den ersten Weihnachtsgruß, den er je geschrieben hatte.
Schöne Weihnachten! wünscht Dir Sebastian.
Kurz darauf piepste sein Handy.
Die erste Antwort auf seinen ersten Weihnachtsgruß. Sie wünschte ihm dasselbe und berichtete kurz, wo sie war und mit wem.
Damit hatte er im Leben nicht gerechnet.
Planänderung.
Torkel saß am Steuer, Vanja neben ihm. Er hatte gerade das Unmögliche erlebt. Vielleicht nicht unbedingt einen kosmischen, weltbedeutenden Augenblick, aber doch etwas, womit er niemals gerechnet hätte. Sebastian Bergman, der Mann, der noch nie an einen Geburtstag gedacht, nie eine einzige Ansichtskarte verschickt hatte und noch nicht einmal zur Beerdigung seiner eigenen Eltern gegangen war, hatte aus irgendeinem unerfindlichen Grund einen Weihnachtsgruß an Vanja verschickt. Die hatte sich selbst darüber gewundert und Torkel die SMS vorgelesen, die wahre Dimension jedoch nicht erfasst. Sie kannte Sebastian noch nicht lange genug, um zu verstehen, dass sie gerade Zeugin eines Wunders geworden war. Torkel wies sie nicht darauf hin. Er war froh, dass sie sich entschieden hatte, ihn nach
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