Fettnaepfchenfuehrer Italien
zu statuieren. Und gegen die fliegenden Verkäufer kommt die Polizei ohnehin kaum an: Nähert sich ihnen ein Polizist, pfeift jemand, blitzschnell packen die Händler das Tuch, auf dem sie ihre Ware auslegen, an den Ecken, schultern ihren Warenbestand und sind schon über alle Berge...
Wie Franziska Einblick in die Welt des Kaffees bekommt
In Italien, dem Land des geduldeten Regelverstoßes, gibt es viele ungeschriebene Regeln
Franziska war es wirklich zuwider, allzu plump angemacht zu werden. Obwohl sie wusste, dass es nichts brachte, sich darüber aufzuregen, war sie immer noch auf 180, oder zumindest 150, spätestens, nachdem ein Junge auf der Straße sie direkt gefragt hatte, ob sie mit ihm ins Bett gehe. Sie wusste, dass das alles nicht so ernst zu nehmen sei, sie wusste, dass italienische Jungs einfach später erwachsen werden. Und sie wusste auch um ihre Wirkung auf Männer. Aber sie fand diese Form der Anmache dennoch maximal respektlos. Und deswegen regte sie sich auf.
Einen Kaffee wollte sie dennoch trinken; sie mochte seinen Geschmack, vor allem aber mochte sie den kurzen Einhalt, die kurze Pause, die das Kaffeetrinken mit sich brachte. Das war jetzt nötig. Früher hatte sie noch geraucht, doch seit sie vor drei Jahren damit aufgehört hatte, war das Kaffeetrinken zum Ersatz geworden. Heute war Franziska meist froh, nicht mehr zum Tabak greifen zu müssen, der stinkenden Finger und auch der Gesundheit wegen. Und dazu war hier in Italien das Rauchen in quasi allen öffentlichen Lokalen verboten. Selbst dort, wo man im Freien saß, mussten die Zigaretten in der Schachtel bleiben.
Franziska suchte sich eine Bar heraus, die nicht gerade zu den am schönsten herausgeputzten gehörte. Sie hatte einmal in einem Kaffeemagazin gelesen, dass die neu renovierten Lokale öfter irgendwelchen Mafiaclans gehörten, und die wollte sie nicht unterstützten. Die Clans nutzen dabei einen simplen Trick. Es sind keineswegs schießwütige Mafiosi, die im schwarzen Anzug und mit Sonnenbrille vor den Augen in den Lokalen mit ihren Waffen herumfuchteln. Nein, die Herren legen ein tadelloses Benehmen an den Tag und treten als ehrenwerte Geschäftsmänner auf. Barbesitzern wird ein vielversprechender Vertrag angeboten; wenn sie zu einer bestimmten Kaffeemarke wechseln, erhalten sie besonders gute Konditionen oder Prämienzahlungen. In den komplexen Verträgen ist aber irgendwo eine Klausel versteckt, die der Barbesitzer nicht erfüllen kann. Es kommt folgerichtig zu einem Vertragsbruch, aus dem hohe Schadenersatzforderungen und damit Abhängigkeiten zwischen dem einstmals freien Barbesitzer und dem mächtigen Gegenspieler resultieren. Dem Barbesitzer bleibt am Ende meist nichts anderes übrig, als seinen »Geschäftsfreunden« das Lokal zu überschreiben. Von außen gesehen ändert sich nichts: Der Barista bleibt derselbe. Nur der Gewinn kommt nicht mehr den Menschen hinter dem Tresen zugute, sondern über Strohmänner dem Clan.
Häufig werden die Bars dann auch noch als Mittel zur Geldwäsche benutzt. Firmen, die zum »System« gehören, renovieren die Lokale aufwendig und stellen überteuerte Rechnungen dafür. So wird schmutziges Geld gewaschen. ►
Franziska fand schließlich eine kleine Bar mit einem rundlichen Mann hinter dem Aluminiumtresen. Das Lokal schien unverdächtig. Der Mann trug einen etwas zu großen Schnauzbart im Gesicht, was ihn Franziska sympathisch machte.
»Einen Cappuccino, bitte«, sagte Franziska an der Kasse und bezahlte einen Euro. Der Mann hinter dem Tresen hatte mitgehört und die Kaffeemaschine schon angeworfen.
»Hier, ihr Cappuccino«, sagte er schließlich, wobei er das Wort »Ka-pu-dschi-noh« besonders deutlich aussprach.
Es waren außer Franziska keine Kunden in der Bar. Der Mann putzte mit einem Lappen etwas an seiner Maschine herum, schaute dann zuerst auf die Uhr über dem Eingang, dann zu der Frau an der Kasse, zuckte mit den Schultern und meinte: »Naja, so ist das jetzt halt wohl.«
Franziska bekam davon nichts mit, sie war noch in Gedanken. Schnell trank sie ihre Tasse leer, der Cappuccino schmeckte sehr lecker, wünschte einen schönen Abend und ging hinaus.
Die Mafia ist ein zu großes Thema, als dass man es hier umfassend darstellen könnte. Die Literatur dazu ist immens, doch was im deutsch-italienischen Vergleich immer wieder eine Rolle spielt und italienische Staatsanwälte an den Rand der Verzweiflung bringt, ist zweierlei: zum einen die aus ihrer Sicht längst
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