Fettnäpfchenführer Spanien - Wie man den Stier bei den Hörnern packt
»Katalane«. Und als Lena ihn ansieht wie ein Kälbchen, wiederholt er es auch noch einmal: »Ich bin Katalane.« Ja, aber er spreche doch spanisch?, will Lena wissen und ihre Reisebekanntschaft, die sich als Xavi Creus, gesprochen [ tscha wi kre _us] ► vorstellt, erklärt ihr mit Bestimmtheit, dass seine Muttersprache Katalanisch sei. » Catalán «, sagt er.
Die Aussprache des Spanischen ist nicht schwierig, aber manche Wörter werden doch anders geschrieben als ausgesprochen. Daher haben wir in diesen Fällen eine ganz einfache Umschreibung, zugeschnitten auf deutsche Sprecher, als Aussprechhilfe verwendet. Was zwischen eckigen Klammern gefettet erscheint, sind die betonten Silben. Der Unterstrich bedeutet hier, dass Sie ein spanisches »eu« nicht wie ein deutsches »oi«, z.B. in »Euro«, sprechen, sondern e und u getrennt, und das e eher wie ein ä: euro [e_uro], Creus [kre_us]. (Siehe hierzu auch den Wissenskasten »Spanische Aussprache« in Kapitel 2.)
Catalán ? Das kennt Lena! Diesen Dialekt hat sie bei ihrem letzten Urlaub auf Mallorca kennengelernt. Es hörte sich manchmal an wie Spanisch und manchmal ein bisschen wie Französisch. Verstanden hat sie so gut wie nichts und sie dachte sich: Müssen die denn jetzt wirklich ihren Dialekt auch im Gespräch mit Ausländern sprechen, die schon froh sind, wenn sie buenos dias , por favor und gracias herausbringen?
»Ja«, sagt Lena, »in Deutschland gibt es auch ziemlich viele Dialekte: hessisch, schwäbisch, bayrisch ... Und manche kann man kaum verstehen, selbst wenn man Deutsche ist. Aber zum Glück bemühen sich die meisten, hochdeutsch zu sprechen, besonders ausländischen Touristen gegenüber. Bis auf ein paar Almbäuerinnen, aber bei denen gehört das dazu zum Klischee, wie die lila Kuh zur Schokolade«. Xavi, der fesche Katalane, hört Lena interessiert zu, aber auf seiner Stirn bildet sich eine steile Zornesfalte. Lena hat sogar den Eindruck, als käme plötzlich ein wenig Farbe in seinen hellen Teint, der auffällig mit dem tiefschwarzen Schatten am Kinn kontrastiert. Was hat er denn?, überlegt Lena. Flugangst? Er nippt von seinem stillen Mineralwasser. »Sie sprechen aber doch auch hochspanisch – oder wie nennt man das bei Ihnen?«, setzt Lena noch einmal nach. » Castellano [kaste ja no]«, sagt er. » Castellano , also Spanisch, war die erste Fremdsprache, die ich in der Schule gelernt habe. Dann Englisch, ein wenig Französisch und ein wenig Deutsch.«
Moment, die Landessprache Spanisch als erste Fremdsprache? Wie krass ist der denn drauf?, denkt Lena. »Sie sprechen aber wirklich super deutsch. Ich wäre ja froh, irgendwann so gut spanisch babbeln zu können.« Irgendwie scheint ihr Sitznachbar aber die Lust an der Unterhaltung verloren zu haben, holt eine Zeitung aus seinem Aktenkoffer und verschanzt sich dahinter. El País heißt seine Zeitung. Das ist Spanisch, meinetwegen auch castellano , freut sich Lena und versteht sogar, was El País bedeutet: »Das Land«.
Später, beim Imbiss, erkundigt Xavi sich bei Lena noch nach ihrem Reiseziel und ob sie Urlaub in Spanien mache. Sehr höflich und nett, aber Lena merkt deutlich, dass die Luft raus ist. Xavi wünscht ihr zum Abschied einen schönen Aufenthalt in Spanien und das war’s dann auch. Schade eigentlich.
Was ist da schiefgelaufen?
Welche Laus ist Lenas Mitreisendem denn da über die Leber gelaufen? Es war nicht die Flugangst, sondern hatte durchaus etwas mit Lenas freimütig geäußerter Unkenntnis oder der etwas unbedachten Einschätzung der spanischen Wirklichkeit zu tun.
Eine der Grundregeln für das Verständnis Spaniens und der Spanier lautet: Verwechsle nie die Regionalsprachen mit Dialekten! Zum einen weil sie keine Dialekte sind, zum anderen weil man mit dieser Fehleinschätzung die stolzen Katalanen, Basken und Galicier direkt ins Mark trifft und sich damit extrem unbeliebt machen kann.
Katalanisch ist eine eigenständige romanische Sprache, die mindestens so alt ist wie das heutige Spanisch – español oder auch castellano , Kastilisch, genannt – und von etwa elf Millionen Menschen im Nordosten Spaniens gesprochen wird, von der französischen Grenze bis nach Valencia und Alicante. Außerdem im südfranzösischen Département Pyrénées Orientales, das auch als Nordkatalonien bezeichnet wird, in der Stadt Alghero (katalanisch L‘Alguer) auf Sardinien/Italien, auf den Balearen, also auch auf Mallorca, wie Lena richtig erkannt hat, und im Zwergstaat Andorra ►,
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