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Feucht

Feucht

Titel: Feucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie Andresky
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richtige Leiter, nur so einen dreistufigen Halsbrecher für Hausfrauen. Und renovieren musste sie dringend. Außerdem sah der Mann da vor dem Waschmittelregal aus wie weich gespült. Ganz weißblonde Härchen hatte er auf den Oberarmen, und sein Kinn war so glatt, dass es sie nicht kratzen würde, sollte es beim Renovieren zu mehr als nur zum Teppichaufreißen kommen. Mayte sah ihn sich ganz genau an, vor allem knöchelabwärts. «Am Fuß», so hatte ihre Tante Maria Theresia, nach der sie benannt war, immer gesagt, «am Fuß erkennst du einen Mann. Rund müssen die Fußknöchel sein, dann ist er zärtlich, sockenlos, dann ist er hemmungslos, handgefertigte Schuhe, dann hat er Geld.» Soweit sie sehen konnte, war der weiße Riese noch auf dem freien Markt, ringlos, nicht angeleint und unbeaufsichtigt, für den Ramschtisch war er zu knackig, für die Delikatessenabteilung zu unverdorben. Bei den Weichspülern stand er schon ganz richtig, und Mayte beschloss, sich ihm auf eine besonders unauffällige, subtile Weise zu nähern: Sie wollte Schwung nehmen und ihm ihren Einkaufswagen in die Hacken rammen. Der Riese würde in den Knien einknicken und ein Geräusch von sich geben, das Mayte darauf schließen ließ, er habe sich gerade am Weichspüler verschluckt. Mayte würde ihn anstrahlen und sagen: «Das tut mir aber Leid. Wie ungeschickt von mir.» Alles andere würde sich ergeben. Doch der Riese kam ihr zuvor.
    Sie konnte es kaum fassen, als er mit spitzen Fingern eine Dose Schmierseife griff und dann auch noch versuchte, sie in seiner Hemdtasche zu verstauen. Der Mann war ja gut. Er hatte zwar einen Oberkörper wie Popeye, aber selbst Popeye sieht mit einer Brust in Form einer Schmierseifendose ausgesprochen verdächtig aus. Mayte wollte schon eine spitze Bemerkung fallen lassen, dass man, wenn man schon klaut, kleiner als das Regal sein sollte und schon gar nicht Jagd auf solche idiotischen Pfennigartikel wie Schmierseife machen sollte. Doch da stürzte schon ein schnauzbärtiger Seelöwe im dunkelblau gestreiften Anzug auf den Riesen los und rief: «Sie da. warten Sie mal.» Mayte überlegte nicht lange, scharrte mit den Hufen, passte den Seelöwen ab und riss dem Riesen die Dose aus der Hand.
    «Doch nicht die, Putzi», raunzte sie ihn an, betont geduldig wie Frauen, die mit lebenslangen Pflegefällen in Sachen Einkauf verheiratet sind. «Die mit dem Umweltengel! Nu denk doch mal an all die Flüsse im Amazonas und die goldigen kleinen Koalabärchen, die sterben doch alle, wenn du so ein Zeugs hier nimmst.» Auf die Schnelle fiel ihr einfach nichts Besseres ein. Der Riese brauchte eine Weile, bis Maytes Operettenauftritt, der schnaufende Seehund und die Umweltengel-Dose in seinem Hirn weit dort droben jenseits der Regale angekommen war, aber dann fing er sich schnell wieder und er legte Mayte den Arm um die Schulter, von oben nach unten funktionierte der Informationsfluss offensichtlich besser als umgekehrt. «Das tut mir so Leid, Weibili. Ich bin aber auch ein Dummer.» «Ach, mein Zuckerhase.» Der Seehund kam sich verarscht vor, keine Frage. Aber machen konnte er nichts. Niemand hatte etwas eingesteckt, und nur verdächtig zu sein reichte nicht aus, seine Tagesquote war im Eimer, er konnte seiner Filialleiterin nicht den Kopf des Riesen auf einem silbernen Tablett zum Kassenschluss überreichen, er war frustriert und zog ab. Mayte zwinkerte ihm zu.
    «Putzi?» Der Riese trat einen Schritt zurück und machte ein Gesicht, als müsse er den Weichspüler jetzt gleich auf ex trinken. «Weibili war ja auchn büschn heftig», lachte Mayte zurück
    und legte den Kopf in den Nacken, um ihm ins Gesicht zu sehen, «ich hab dich gerettet.»
    «Wenn de meinst.»
    «Dafür könntest du mir eigentlich dankbar sein.»
    «Bin ich ja auch.»
    «Wieso klaustn Schmierseife?»
    «Weiß nich.»
    «Ich habn Gefallen bei dir frei.»
    «Jau.»
    «Streichst du meine Wohnung? Ist eh nur ein Zimmer.»
    «Wow, das erotische Angebot des Tages.»
    «Renovieren oder eine Schmierseifenorgie mit dem Seehund. Du hast die Wahl. Vielleicht bin ich dir anschließend ja so dankbar, dass ich dir dann einen Gefallen schulde, wer weiß.»
    Der Riese grinste:
    «In den Klamotten kann ich nicht streichen.»
    «Ziehst du sie halt aus.»
    Maytes Wohnung war das Paradebeispiel einer Müllhalde. Bücher, Geschirr und Klamotten standen wild verpackt in großen Kartons herum. Die leichteren Möbel hatte sie aufeinander gestellt, und dazwischen türmten sich

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