Feucht
und tappte dann zum Telefon.
«Heute Abend hätte ich mit deinem Anruf aber nicht mehr gerechnet», sagte die Männerstimme.
«Er ist gerade weg.»
«Musste das sein?»
«Hab ich dir die Quote verdorben? Tut mir Leid. Aber den musste ich einfach haben. Guck mal: Schmierseife, das hätte doch sowieso nicht für 'ne Anzeige gereicht. Die zwei Mark fuffzig sollte dir das Glück deiner Nichte doch wert sein.»
«Und was machste jetzt mit deiner Wohnung?»
«Die ist strahlend weiß. Sieht riesig aus!»
Die Gottesanbeterin
«bestialisch verstümmelt... Stücke aus Oberarm und Schenkel fehlen ... Blutbad», Renate schaltete das Radio aus, schnaubte durch die Nase und trat das Gaspedal durch. Halbstündig kamen die Warnmeldungen im Radio, sie war seit dem frühen Morgen unterwegs und konnte es einfach nicht mehr hören. So eine Nachricht war das nun auch wieder nicht. Sie wollte lieber unterhalten werden, die letzte Nacht war anstrengend gewesen, und jetzt wünschte sie sich Gutelaunemusik und nicht ständig das Gerede über zerstückelte Frauen in Hotels und auf Campingplätzen. Das waren Tage, an denen Renate ihren Job hasste. Normalerweise war sie gerne unterwegs, allein auf der Straße, der schwere Achttonner vibrierend unter dem spitzen Hintern, alle paar Stunden ein Kaffee, ein Schläfchen und abends ein paar dumme Kommentare von den anderen Truckern, wenn sie in ein Handtuch gewickelt durch die einzige Fernfahrerdusche der Raststätte schlappte. Die Jungs machten ihr keine Sorgen, die hatte sie unter Kontrolle. Renate ging auf ihren Duschschlappen wie ein Cowboy, der nicht gemerkt hat, dass er sein Pferd an der Tränke vergessen hat. Ein oder zwei bissige Sprüche über Sackflöhe oder den Zusammenhang von großen Trucks und kleinen Schniepeln, und die Sache war geritzt. Was ihr aber sehr wohl Sorgen machte, waren Radiostationen, die nichts Aufregenderes zu melden hatten als Geschichten von jemandem, der seine Opfer zwischen zwei
Brötchenhälften pappte. Und dann diese üblichen Sprüche über Perverse: Mutterkomplex, impotent (denn keine der Frauen war vergewaltigt worden), ein ehemaliger Chirurg vielleicht oder ein Metzger, mutmaßte ein DJ von einem Provinzsender.
Renate schaltete das Radio trotzdem wieder an, sie hatte es nicht gerne so still. «Das bisher vierte Opfer in zwei Wochen», hörte sie und seufzte, «in einer Reihenhaussiedlung, ein Bezug zu den anderen Opfern konnte nicht hergestellt werden. Der Kopf war fast abgetrennt, ein Unterschenkel abgenagt.» Renate drehte den Sender leiser und murmelte im Bühnenton: « Leute, Leute sperrt eure Töchter ein, hier weht ein kalter Wind mit blut'gen Schauern.» Sie fuhr an einem Schild vorbei, das einen Parkplatz ankündigte, überlegte, ob sie ein Pause machen sollte, beschloss dann aber weiterzufahren. Der Entschluss dauerte nicht lange, ihr Truck schlingerte, der Kollege hinter ihr, von dem sie wusste, dass er abends unter dem Namen «Big Billy Boy» Kontakte zu anderen Truckern mit einer Vorliebe für Latexhöschen und gepiercten Brustwarzen suchte, hupte mehrmals und zeigte ihr einen Vogel. Renate achtete nicht auf ihn. Sie konnte nicht glauben, was sie da hinter dem Parkplatz gesehen hatte.
Sie schaltete den Motor aus und sprang vom Fahrersitz. Gleich hinter der Haltebucht stand ein ganz junges Ding, ein Baby, eine Kaulquappe, kaum siebzehn wahrscheinlich. Sie hatte eine hautenge grüne Jeans und ein ebenso enges glänzendes grünes Oberteil an, schlenkerte mit ihren ungewöhnlich langen Armen und warf die goldbraunen Haare zurück, wenn sich ein Auto näherte. «He, Süße», rief Renate, «hast du mal Radio gehört? Bist du meschugge, jetzt noch zu trampen?» Das Mädchen huschte auf sie zu und strahlte sie an: «Mir passiert nichts, ich stehe unter dem Schutz des Einen!» Und sie hielt Renate ein dickes Buch entgegen. Renate starrte auf das goldene Buch mit dem schwarzen Zeichen auf der Vorderseite. «Wie bist'n du drauf, Herzchen?» «Ich gehöre zu dem Camp, wir sind die heilige Gemeinschaft des einzigen Lichts. Ich war ein paar Tage krank, und jetzt versuche ich, wieder zu meinen Leuten zu kommen.» Renate fiel nichts ein. « Du meinst, ihr betet in Zelten, um Neue anzuwerben?» Das Mädchen nickte so heftig, dass ihr das glänzende Haar ins Gesicht fiel, «wir bringen das Licht des Einen in die Welt. Wir beten fur euch alle», sie legte Renate eine Hand auf die Schulter und sah sie durchdringend an, «für dich beten wir auch.» Renate
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