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Feuer der Götter: Roman (German Edition)

Feuer der Götter: Roman (German Edition)

Titel: Feuer der Götter: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Simon
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ganz dem Rauschen hin, all dem Flirren und Flattern. Da, in einer Höhlung im Stamm eine Bewegung. Eine blaugebänderte Tepehuano schob sich ins trübe Wasser. Und was für ein fetter Kerl! Naave spannte den Bogen.
    Im gleichen Augenblick entdeckte sie die Gestalt am anderen Ufer.
    Unendlich langsam zog Naave den Bogen zurück, legte den Pfeil neben sich und ging in die Hocke.
    Sie hoffte, flehte zu Tique, dass der Feuerdämon sie nicht gesehen hatte.

    Er hielt den Blick auf den im Wasser liegenden Stamm geheftet. Überlegte er, den Fluss zu überqueren? Deutlich sah Naave das feurige Mal in seinem Gesicht, ganz so, wie Maqo es beschrieben hatte.
    Naaves eigenes Brandmal begann zu jucken. Sie hob ihren Kittel und kratzte sich an der Gesäßbacke. Damals, während des Feuers, war sie gestolpert und auf einem silbernen Ring der Mutter gelandet, über den das Feuer bereits hinweggebrandet war. Naave hatte auf dem glühenden Geldstück gehockt und nichts gespürt – zu groß war ihr Entsetzen über den Feuerdämon, der im Haus wütete. Jede Einzelheit wusste sie noch: wie aus seinem Kopf und den Schultern die Flammen geschlagen waren, ohne dass sie ihn verletzt hatten. Wie er gebrüllt, wie seine Augen vor bestialischer Wut gelodert hatten. Er ist fett, hatte sie noch gedacht, verwundert darüber, dass er wie ein Mensch aussah. Von seinem leuchtenden Feuermal abgesehen. Es saß ihm nicht quer im Gesicht, sondern zog sich von seinem Hals steil hinunter bis zum Bauchnabel.
    Dann hatte ihre Mutter sie hochgerissen und durchs Fenster geworfen.
    Ihren Schrei vergaß sie nie: Lauf, lauf! Naave, lauf! Es war ihr letztes Lebenszeichen gewesen. Naave war gelaufen. Und am nächsten Tag zu einem schwarzverkohlten Haus zurückgekehrt. Ihre Mutter war in den Flusssümpfen begraben worden.
    Naave widerstand dem Drang, zum Kanu zu rennen und fortzupaddeln. Dem Dämon in aller Hast den Rücken zuzuwenden, mochte ihren Tod bedeuten. Und – wollte sie ihn nicht fangen? Sie hätte über diesen irrwitzigen Gedanken lachen mögen; stattdessen bebte ihr Körper vor Furcht. Auf den Knien kroch sie zur Statue zurück. Versteckt hinter dem verwitterten Stein, fühlte sie sich sogleich etwas sicherer. Der Gott würde sie schützen. All die Ringe hatte sie ihm ganz gewiss nicht umsonst geopfert.
    Langsam hob sie sich auf die Knie und lugte über den Stein. Wo war der Dämon? Bestimmt nicht über den Stamm gelaufen, das vermochte niemand.
    Aber es hieß, Feuerdämonen könnten fliegen.
    Naave warf den Kopf in den Nacken und suchte den Himmel ab.
    Das Schilf knackte, als wanke ein großes Tier hindurch. Er war über den Baum gekommen, und das schnell. Und er hielt auf sie zu! Naave tat, was sie schon tausend Mal in ihrem jungen Leben getan hatte: aufspringen, den Bogen in die linke Hand nehmen, den Pfeil anlegen. Mit zwei Fingern der Linken den Schaft halten; zugleich die Sehne mit zwei Fingern der Rechten ergreifen. Den Oberkörper strecken und die Sehne ans Ohr ziehen.
    Die Pfeilspitze zielte zwischen die Augen des Dämons.
    Er wirkte überrascht. Naave erkannte ihren Fehler. Nicht ihretwegen war er auf der Insel; er hatte anscheinend die Statue aufsuchen wollen. Sie starrte in ein Gesicht, dessen Züge vor Anstrengung verzerrt waren. Seine Haut war um einiges heller als die der Städter, die sich, von den vornehmen Familien abgesehen, ständig in der Sonne aufhielten. Die langen Haare waren von tiefem Schwarz, nicht braun wie das der Stadtleute. Eng am Hals trug er eine Lederschnur, von der eine weitere hing. Kleine, schwarzglänzende Perlen waren daran aufgereiht. Sie pendelte hin und her, während er sich näherte. Der Schurz, der um seine Hüften lag, war aus einem feinen Gewebe, nicht aus Bast, wie es bei den Waldmenschen üblich war. Grüne und blaue Federn und schwarze Lavasteinchen waren an den Saum genäht. Seine Oberarme schmückten breite Bänder aus Lava und Tecminc, dazu goldene Reife. Gold! Unfassbar! Es zu tragen, war den Priestern und den Statuen der Götter im Tempel vorbehalten.
    Und auf seinem rechten Unterarm hockte … was? Naave glaubte ihren Augen nicht zu trauen. Ein riesiges Insekt. Es ähnelte mit seinem langgliedrigen Unterleib einer Libelle, besaß aber die harten Flügel eines Käfers.
    »Bleib …«, Naave musste sich räuspern, so sehr schnürte die Furcht ihre Kehle zu. Ihre Armmuskeln zitterten. »Bleib mir vom Leib, sonst …«
    Er stürmte auf sie zu. Einen Herzschlag später fand sie sich rücklings auf

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