Feuer der Rache
alles nur noch schlimmer gemacht hätten. Nun ist es für Strafe zu spät.
Ach, meine liebsten Freundinnen, ich habe alles falsch gemacht. Ich habe jeden enttäuscht und bin mir und den anderen eine Last. Wenn ich an meinen Sohn denke, der durch meine Schwäche qualvoll sterben musste, dann kann es nur eine Entscheidung geben. Und so muss ich euch noch einmal Schmerz bereiten. Verzeiht mir, ich kann nicht anders. Dieses Leben hat mich zu lange gequält. Ich empfinde keinen Hass, aber ich bin zu müde, um weiterzumachen.
Was sagte der seltsame Fremde damals zu mir? Ist der Schmerz nach dieser Zeit immer noch da, ja, dann spring! Die Elbe wird dich auch dann noch in sich aufnehmen.
Ich liebe euch, und ich danke euch, dass ihr nicht aufgegeben habt zu versuchen, mich ins Leben zurückzuführen.
Eure Rabby
Sabine wischte sich die Augen. Sie sah zum Fenster. Der Tag war verstrichen, die Sonne bereits untergegangen. Vierundzwanzig Stunden Zeit hatte sich Aletta erbeten. Nun war die Kommissarin fertig und kannte die Hintergründe, die zu den Morden an vier angesehenen Hamburger Geschäftsmännern geführt hatten. Der Fall war gelöst. Sie musste nur noch nach dem Telefonhörer greifen und die Kollegen verständigen, damit sie die drei Mörderinnen verhaften konnten.
Sabine starrte das Telefon an. Noch war die Zeit nicht vollständig verstrichen, sagte sie sich. Sie würde ihr Versprechen einhalten. Und dann? Es war ihre Pflicht, dafür zu sorgen, dass die Gerechtigkeit siegte. Deshalb war sie zur Kripo gegangen. Deshalb war sie Kommissarin bei der Mordbereitschaft. Aber was war Gerechtigkeit? War es das Gleiche wie Recht? Wie würden die Richter entscheiden? Vorsätzlicher Mord in vier Fällen, daran gab es nichts zu rütteln. Würden die Richter die Vorgeschichte strafmildernd berücksichtigen? Oder war zu viel Zeit seit damals vergangen? Würden sie erkennen, dass diese Männer selbst vier Leben zerstört hatten? Auch wenn die Frauen körperlich gesund schienen -ihre Seelen waren tot. Gab es eine Strafe für seelischen Mord? Sie würden ins Gefängnis kommen alle drei -für viele Jahre. Sabine wusste, dass es keine Möglichkeit gab, die drei Freundinnen davor zu bewahren.
Sie musste mit Aletta sprechen. Die Kommissarin wusste noch nicht, wie ihr das bei ihrem Dilemma helfen sollte, dennoch griff sie nach dem Hörer und wählte Alettas Nummer. Keiner hob ab. Sie versuchte es im Haus von Alettas Eltern -wieder nichts. Sie seien eine Woche nach Dänemark gefahren, hatte Aletta ihr gestern gesagt. Auf dem Handy meldete sich die Mailbox. Verdammt! Sie musste doch damit rechnen, dass die Kommissarin mit ihr über das Gelesene sprechen wollte!
Ein Gedanke zuckte durch Sabines Kopf. Sie stöhnte.
„Geben Sie mir vierundzwanzig Stunden Zeit, dann können Sie das tun, was Ihnen Ihr Gewissen oder Ihr Verstand rät. Wir werden da sein und uns nicht wehren. Ich verspreche es, bei allem, was mir etwas bedeutet!"
Wie hatte sie so naiv sein können? Warum war sie plötzlich mit Blindheit geschlagen? Ihre Finger zitterten, als sie die Mordbereitschaft anrief. Hauptkommissar Ohlendorf meldete sich.
„Thomas", begann sie vorsichtig. „Weißt du, wo sich Eike Canderhorst gerade aufhält?"
„Warum?", fragte er knapp.
„Falls ihr es noch nicht getan habt, dann stellt ihn schleunigst unter Polizeischutz. Frage mich nicht, woher ich es weiß -aber ich bin ganz sicher: Er ist in höchster Gefahr!"
„Danke für den Hinweis", stieß er hervor, „aber er kommt für ihn leider zu spät. Wir haben vor ein paar Minuten einen Anruf erhalten. Er wurde auf der Straße vor der Villa seiner Eltern niedergeschossen. Zeugen sagen, der Täter habe drei Schüsse abgegeben. Zwei haben ihn getroffen. Der Rettungswagen ist unterwegs. Anscheinend lebt er noch."
„Es gibt Zeugen?", stieß Sabine atemlos hervor.
„Ja, zwei Anwohnerinnen haben den Überfall beobachtet. Der Täter kam auf einem Motorrad herangefahren und schoss auf Canderhorst, als der seinen Wagen verließ. Er entkam in Richtung Blankenese. Die Fahndung läuft."
„Er? Konnten die Zeuginnen erkennen, ob es ein Mann war?", hakte Sabine nach.
„Sie waren sich nicht sicher. Der Täter trug eine Lederkombi und einen Helm. Allerdings hatte er oder sie langes, schwarzes Haar, das über den Rücken hing. Ein Teil des Nummernschildes haben sich die Zeugen gemerkt." Sabine hörte im Hintergrund eine Stimme nach dem Leiter der 4. Mordbereitschaft rufen.
„Ich muss los. Wir können
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