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Feuer: Roman (German Edition)

Feuer: Roman (German Edition)

Titel: Feuer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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jeden Fall fühlte es sich so an, als ihm die Kleine mit aller Kraft ins Gesicht trat. Will brüllte vor Schmerz, ließ das Bein los und griff sofort wieder zu, aber selbstverständlich ins Leere. Ein rosa Schemen verschwand vor ihm in dem Durcheinander aus Rohrleitungen und Schläuchen.
    Natürlich war es vollkommen sinnlos, trotzdem versuchte er noch einmal, an die Vernunft des Kindes zu appellieren. »Jetzt hör mir doch mal zu!«, rief er. »Ich verstehe ja, dass du Angst hast, aber dazu besteht wirklich kein Grund. Ich will dir nichts tun.« Sein Blick suchte aufmerksam das Durcheinander aus Rohren, Kabeln und allem anderen Krempel ab, der den Bereich hinter dem Heizkessel in ein undurchdringliches Labyrinth verwandelte.
    »Außerdem kommst du hier sowieso nicht heraus. Die Tür ist zu, weißt du? Und ich hab Zeit.« Der letzte Satz hatte gute Chancen, in die Top Ten der dreistesten Lügen des Jahres aufgenommen zu werden, aber das wusste die Kleine ja schließlich nicht. »Also sei jetzt vernünftig, Mädchen. Wir können doch über alles reden.«
    »Bitte, ich … ich habe niemandem was gesagt.« Wenn das, was er in den Augen des Mädchens gelesen hatte, Todesangst gewesen war, dann musste er für das Zittern in ihrer Stimme ein neues Wort erfinden. »Und ich werde auch niemandem etwas sagen. Ganz bestimmt nicht!«
    »Das weiß ich doch«, erwiderte Will. Er versuchte vergeblich herauszufinden, aus welcher Richtung die Stimme kam Irgendwo vor ihm, sicher – aber wo in diesem verdammten Durcheinander?
    »Ich verrate bestimmt niemandem etwas«, versicherte das Mädchen. »Ganz bestimmt nicht! Sie … Sie müssen mich nicht umbringen! Ich werde niemandem etwas sagen, und … und außerdem würde mir doch sowieso niemand glauben.«
    Umbringen?, dachte Will irritiert. Hatte er gerade umbringen verstanden? »Niemand will dich umbringen, Kleines«, sagte er. »Wie kommst du denn auf den Unsinn?«
    Er versuchte verzweifelt, die Dunkelheit vor sich mit Blicken zu durchdringen, aber je konzentrierter er hinsah, desto weniger konnte er erkennen.
    Und was zum Teufel meinte sie mit umbringen?
    »Ich hab's aber genau gehört«, antwortete sie. »Sie haben gesagt, Sie würden mich umbringen, wenn …«
    »Da musst du dich getäuscht haben, Kleines«, unterbrach sie Will. Seine Augen weigerten sich immer noch, ihm mehr als einen verwirrenden Tanz von Schatten und ineinander fließenden Umrissen zu zeigen, aber er glaubte jetzt die Richtung identifizieren zu können, aus der die Stimme kam. »Ich habe das ganz bestimmt nicht gesagt«, fuhr er fort, während er sich auf dem Bauch liegend Stück für Stück vorwärts schob und dabei nicht nur seinem Anzug endgültig den Rest gab, sondern sich auch die Handflächen blutig scheuerte. Gott, wie er Kinder hasste!
    »Aber die anderen! Ich habe genau gehört, wie sie es gesagt haben!«
    »Da musst du dich getäuscht haben«, ächzte Will, während er sich weiter vorwärts schob. »Hab ich nicht!« »Aber sie haben es bestimmt nicht so gemeint«, sagte Will gepresst. Endlich konnte er das Mädchen sehen. Noch ein paar Zentimeter, und er hatte sie –falls sie ihm nicht vorher eine lange Nase drehte und im allerletzten Moment doch noch entwischte.
    »Haben sie doch«, beharrte das Mädchen. »Ich hab es genau gehört.«
    »Vielleicht haben sie das nur gesagt, um dir einen Schrecken einzujagen«, antwortete Will, während er sich langsam, aber beharrlich weiter auf den verschwommenen und jetzt leicht barbierosa schimmernden Schatten zubewegte. Er musste weiter reden. Solange die Kleine mit ihm sprach, kroch sie nicht davon. Vielleicht. »Erwachsene tun so etwas manchmal, weißt du? Manchmal lügen sie, um ihr Ziel zu erreichen. Das ist zwar ganz schön blöd, aber manche machen es eben.«
    Will schätzte seine Chancen ab, blitzschnell den Arm auszustrecken und die Kleine zu packen, aber ihre Chancen, ihm zu entwischen und sich dann noch tiefer in diese Müllhalde zu verkriechen, standen eindeutig besser. Also robbte er mit zusammengebissenen Zähnen weiter.
    »Hör mal, Kleines. Warum kommst du nicht raus, und wir reden über alles? Ich weiß nicht, wer was zu dir gesagt hat, aber ich war es bestimmt nicht.«
    »Ich glaube Ihnen nicht«, antwortete die Kleine stur. »Sie haben gerade selbst gesagt, dass Erwachsene manchmal lügen.«
    »Ja«, knurrte Will. »Und manchmal lassen ihnen Kinder keine andere Wahl.« Allmählich machte ihn diese kleine Kröte wirklich wütend, trotz aller

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