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Feuer: Roman (German Edition)

Feuer: Roman (German Edition)

Titel: Feuer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Verwirrung, die ihre Worte in ihm ausgelöst hatten. Dennoch beschloss er, auf Nummer Sicher zu gehen, und kroch auf Knien und Ellbogen weiter auf sie zu, statt alles auf eine Karte zu setzen und einen raschen Sprung in ihre Richtung zu riskieren. Das Wasser hatte seine Kleidung mittlerweile vollkommen durchnässt, und er war selbst nicht mehr ganz sicher, ob er nun vor Wut oder vor Kälte zitterte, als er schließlich anhielt und sich ächzend auf die Knie hochstemmte.
    Die Kleine hatte sich in ihrer Panik selbst in eine Falle manövriert, aus der es kein Entkommen mehr gab. Sie hockte nur anderthalb oder zwei Meter entfernt von ihm in einem Winkel der Wand, hatte die Beine an den Körper gezogen und die Knie mit beiden Armen umschlungen, und obwohl das Licht hier so schlecht war, dass er ihr Gesicht nur als verschwommenen Fleck erkennen konnte, sah er trotzdem die Todesangst in ihren weit aufgerissenen, starr auf ihn gerichteten Augen.
    Vielleicht war es dieser Blick, der ihn zögern ließ. Will war eindeutig nah genug, um den Arm auszustrecken und sie auf diese Weise zu packen, und dieses Mal würde er sich weder von Fingernägeln noch von Fußtritten beeindrucken lassen, aber er konnte einfach nicht vergessen, was sie gesagt hatte, und zumindest die Angst in ihrem Blick war nicht gespielt. Statt kurzen Prozess zu machen und sie aus ihrem Versteck herauszuschleifen, richtete er sich weiter auf und hob schließlich auch die Hände aus dem Wasser, aber nicht, um nach ihr zu greifen, sondern nur, um sie vor sich zu halten, damit sie sah, dass er ihr nichts tun wollte.
    »Also gut, Kleine«, sagte er schwer atmend. »Du hast deinen Spaß gehabt. Was hältst du davon, wenn wir jetzt hier rausgehen und uns davon überzeugen, dass dir auch wirklich nichts passiert ist?«
    Er bekam keine Antwort, aber er sah, wie sich das Mädchen vergeblich bemühte, noch weiter in den Winkel hineinzukriechen. Der Boden, auf dem er kniete, bebte. Ganz leicht nur, gerade an der Grenze des überhaupt Spürbaren, aber nur einen Moment später kräuselte ein Muster aus symmetrischen, nervösen kleinen Wellen die Oberfläche des eiskalten Wassers, in dem er kniete. Und dann spürte er etwas, das noch viel unheimlicher war: Das Wasser kam ihm plötzlich gar nicht mehr so entsetzlich kalt vor wie noch vor einem Moment, und auch die Luft schien plötzlich wärmer geworden zu sein. Etwas wie eine unsichtbare, aber deutlich zu spürende Spannung schien sich rings um ihn herum zu materialisieren, und ob er wollte oder nicht, er musste an das bizarre Gefühl zurückdenken, das ihn vorhin überkommen hatte, als er die Wand des Kellers berührt hatte. Ein Gefühl wie Feuer, das – natürlich vollkommener Unsinn war. Will schüttelte das Gefühl mit Macht ab, riss sich nicht nur innerlich, sondern auch körperlich zusammen, indem er sich weiter aufrichtete und die Schultern straffte.
    »Ich mache dir einen Vorschlag«, sagte er. »Ich gehe jetzt zurück und warte dort draußen auf dich. Mir ist nämlich kalt, weißt du? Und du siehst auch nicht unbedingt aus, als ob du gerade aus der Sauna kommst.«
    Ein Teil von ihm begann lautstark gegen diese Entscheidung zu protestieren, und Will musste zugeben, dass diese Stimme nicht unbedingt Unrecht hatte. Er hatte das Mädchen in der Falle, aber nur, weil sie sich selbst hineinmanövriert hatte. Ein zweites Mal würde sie ihm diese Gelegenheit bestimmt nicht freiwillig geben. Trotzdem sah er sie nur noch einen Moment lang ernst an, dann ließ er sich wieder auf Hände und Knie sinken und kroch rückwärts den Weg zurück, den er gerade gekommen war. Schaudernd stand er auf und drehte sich langsam einmal um sich selbst, wie um sich davon zu überzeugen, dass er auch tatsächlich allein war. Möglicherweise war irgendwo tief im Stein dieser Ruine tatsächlich noch ein Rest der Höllenglut gespeichert, mit der das Feuer dieses Haus heimgesucht hatte, aber der Brand war eine Woche her und das Wasser, durch das er gekrochen war, so kalt, dass seine Hände und Zehen mittlerweile völlig gefühllos geworden waren. Da war kein Feuerdämon, der in irgendeiner Ecke hockte und nur darauf wartete, über ihn herzufallen. Wenn es hier unten irgendetwas gab, wovor er Angst haben musste, dann nur vor seiner eigenen Fantasie.
    Und vielleicht vor seiner eigenen Dummheit. Will drehte sich wieder herum und ließ sich noch in der Bewegung in die Hocke sinken, um einen Blick in das Durcheinander aus Rohrleitungen und Gerümpel zu

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