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Feuer: Roman (German Edition)

Feuer: Roman (German Edition)

Titel: Feuer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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würden.
    »Am nächsten Abzweig müssen wir nach rechts«, sagte Reimann.
    »Sie kennen sich hier erstaunlich gut aus.«
    »Es gibt Unterlagen, die das alte Labyrinth unter der Stadt beschreiben«, sagte Reimann. »Doch die sind mehr als lückenhaft. Das meiste, was über die Jahrhunderte gerettet worden ist, ist in den Bombennächten von Hitlers verrücktem Krieg verloren gegangen. Jetzt sind wir wieder auf das angewiesen, was der Menschheit schon seit Anbeginn der Zeiten alles wirklich Wichtige vermittelt hat: die mündliche Überlieferung und ein paar aus dem Gedächtnis verfasste Skizzen.«
    Da war sie schon wieder: eine Andeutung von alten Geheimnissen und Überlieferungen. Sie aus dem Munde des grauhaarigen, so überaus nüchternen und abgeklärten Polizeibeamten zu hören sprengte beinahe Wills Vorstellungskraft. Aber vielleicht lag es auch nur daran, dass er den Anblick von Rattengesichts ausgeweidetem Leichnam einfach nicht aus dem Kopf bekam. Im Moment konnte er sich auf nichts anderes konzentrieren, sah das Bild vor sich, das er wahrscheinlich bis zum Ende seiner Tage nicht vergessen würde, diesen geschundenen, verstümmelten Körper, und fragte sich immer wieder, wie Georg nur so etwas hatte tun können. Es gibt Dinge, die man nicht tun darf, hörte er ihn wieder und wieder sagen, wie einen Werbespruch, den man nicht aus dem Kopf bekam.
    Wie krank musste ein Mensch sein, um so etwas Schreckliches zu tun, und dann noch einen solchen Satz von sich zu geben?
    Reimann sagte wieder etwas zu ihm. Will verstand die Worte nicht, und den Sinn nur ganz am Rande. Offensichtlich hatte ihn der grauhaarige Polizist aufgefordert, sich nicht gehen zu lassen, ihn dabei zu unterstützen, so schnell wie möglich hier rauszukommen. Dabei hatte Will alle Mühe, seine Füße überhaupt hochzubringen. Noch stützte ihn Reimann, aber es konnte nicht mehr lange dauern, bis er ihn hinter sich herschleifen musste – und was das bedeutete, konnte sich Will nur zu gut ausmalen.
    Georg würde keine große Mühe haben, ihre Spur zu verfolgen. Wahrscheinlich zogen sie eine blutige Linie hinter sich her, die im Strahl einer Taschenlampe aufleuchten würde wie eine Leuchtmarkierung. Ob Georg das Messer mitnehmen würde, wenn er ihn verfolgte? Und ob Reimann irgendetwas dagegen tun konnte – oder tun wollte, wenn sich Georg auf ihn stürzen wollte wie ein Verrückter?
    »Und hier ist irgendwo Duffy versteckt, oder?« Die Worte brachen mit einer Intensität aus ihm heraus, die Will selbst erschreckte und überraschte, denn er hatte in den letzten Sekunden gar nicht bewusst an seine Tochter gedacht.
    Reimann zuckte spürbar zusammen. »Ich bin nicht in alles eingeweiht«, sagte er nervös. Er warf einen flüchtigen Blick über die Schulter zurück, bevor er weitersprach. »Und schon gar nicht habe ich damit gerechnet, dass Georg so ein Blutbad anrichten könnte.«
    »Meine Tochter!«
    »Ja. Ihre Tochter.« Reimann fuhr sich über die Lippen, und Will vermutete, dass er versuchte, sich das typische Es-ist-alles-in-Ordnung-Lächeln abzuringen, mit dem die meisten Bullen reflexartig auf besorgte Nachfragen reagierten. »Keine Sorge. Georg wird Ihrer Tochter nichts antun.«
    »Was macht Sie da so sicher?«
    »Nun …« Reimann klang mit einem Mal ein bisschen hilflos. »Es kann sein, dass er manchmal zu etwas übertriebenen … Reaktionen neigt. Aber ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass er sich an Kindern vergreift.«
    »Beruhigend, wirklich.« Will begann sich auf eine ganz merkwürdige Art aufzuregen, so wie er es noch nie zuvor an sich selbst erlebt hatte. Plötzlich hatte alles andere keine Bedeutung mehr: nicht das, was Georg von ihm wollte und vielleicht noch antun würde, nicht, dass Reimann sich an diesem Komplott beteiligte, nicht das Feuer, das offensichtlich gerade in Köln tobte wie ein von der Leine gerissenes Untier, oder eher noch, als wäre eine archaische Kraft entfesselt worden, die ihn und Duffy verschlingen wollte, und nicht einmal die verstümmelte Leiche, deren Anblick ihn gerade noch so sehr geschockt hatte.
    »Ich weiß nicht, was mit Ihnen los ist, Reimann …«
    »Hauptkommissar Reimann«, unterbrach ihn der grauhaarige Polizist reflexartig.
    »… und schon gar nicht weiß ich, was Sie so sehr an Georg schmiedet, dass Sie nicht sofort Ihr Handy nehmen und Ihre weiß gekleideten Kollegen von der Spurensicherung holen, damit sie sich an Freds Leiche vergnügen können; und vielleicht will ich es

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