Feuer: Roman (German Edition)
gewartet hatte. Mit einer entschlossenen Bewegung griff er unter das Jackett, packte den Elektroschocker und schob ihn in die linke Hosentasche. Etwas krachte, eine Stoffnaht, die der außergewöhnlichen Belastung nicht standzuhalten vermochte.
Als Reimann sich ihm wieder zuwandte, war kein Argwohn auf seinem Gesicht. Wie sollte er auch. Schließlich musste er annehmen, Will habe sich nur aufzurichten versucht, die Waffe selbst konnte er aus seinem Blickwinkel heraus unmöglich gesehen haben – hoffte Will zumindest. »Bringen wir es hinter uns«, sagte er. »Ich habe keine Lust, Georg in die Arme zu laufen und ihm erklären zu müssen, warum ich Ihnen helfe.«
»Die Taschenlampe«, sagte Will.
»Was?«
»Wir sollten die Taschenlampe mitnehmen«, sagte Will. »Sie liegt dort auf der Aktentasche.«
»Und was ist in der Tasche?«
»Geld«, sagte Will. »Viel Geld. Lösegeld.«
Reimann seufzte. »Eigentlich müsste ich es ja konfiszieren. Aber ich glaube, ich weiß einen besseren Verwendungszweck dafür. Nehmen Sie es. Fahren Sie weg, so weit es nur geht, in jedem Fall aber weiter, als Georgs Arm reicht, am besten in ein Dritte-Welt-Land.«
»Ich soll was?« Will verschluckte sich fast vor Empörung. »Wissen Sie überhaupt, was Georg getan hat? Warum ich hier bin? Und wessen Geld das ist?«
»Ein paar Fragen zu viel«, sagte Reimann ungeduldig. »Und ich wiederhole mich ungern: Aber Georg könnte jeden Moment wiederkommen. Und Sie sollten wissen, dass er Sie nicht mehr gehen lassen wird. Nicht gehen lassen kann.« Er deutete mit einer Kopfbewegung auf das, was von Rattengesicht übrig geblieben war. »Nicht nach dem, was hier passiert ist.«
»Dann rufen Sie Ihre Kollegen!« Will schrie fast.
Reimann würdigte ihn noch nicht einmal einer Antwort. Mit einem angeekelten Gesichtsausdruck trat er einen Schritt vor, mitten hinein in den schmutzig roten Belag, in dessen Zentrum Will lag. »Geben Sie sich mal ein bisschen Mühe. Richten Sie sich auf, zumindest in eine sitzende Position. Ich helfe Ihnen dann schon hoch.«
»Georg hat meine Tochter entführt!«, protestierte Will. »Wir müssen etwas unternehmen. Ich weiß nicht, was der Verrückte ihr antun wird.«
»Gar nichts wird er ihr antun«, herrschte ihn Reimann an. »Und nun machen Sie schon. Oder ich lasse Sie hier einfach liegen und warte ab, was Georg mit Ihnen vorhat, wenn er zurückkommt. Und dann können Sie Ihrer Tochter gar nicht mehr helfen!«
Reimanns Worte erreichten Will mit einiger Verspätung, aber als er die Drohung in ihnen begriff und Reimanns Eingeständnis, dass er in die Entführung eingeweiht war, überwand er seinen Ekel, setzte die Hände in die glitschige Masse und versuchte auf dem Boden darunter festen Halt zu bekommen. Mit aller Kraft, deren er fähig war, drückte er sich dann ab. Seine Arme zitterten, und er musste alles Geschick aufwenden, um nicht abzurutschen, aber zu seiner Verblüffung ging es besser, als er vermutet hatte. Er schaffte es immerhin, seinen Oberkörper in eine Siebzig-Grad-Position hochzudrücken. Doch dann verließen ihn fast augenblicklich wieder seine Kräfte. Wäre Reimann nicht hinzugeeilt, um ihn an den Armen zu packen und hochzuziehen, er wäre unweigerlich wieder abgerutscht.
»Hoch jetzt«, maulte Reimann. »Lassen Sie sich nicht wie einen nassen Sack ziehen.«
Will gab sein Bestes, doch das Gefühl, dass die Kräfte in ihn zurückgekehrt wären, war wohl trügerisch gewesen, denn er stand kaum, als er auch schon wieder in sich zusammenzusacken drohte. Reimann drückte ihn recht unsanft gegen die Wand und begann augenblicklich, an seinem Ärmel herumzuzerren.
»He!«, protestierte Will. »Was soll denn der Blödsinn!«
»Wissen Sie überhaupt, wie Sie aussehen?«, fragte Reimann. Seine Stimme klang so gepresst und angeekelt, als würde er gegen einen hartnäckigen Brechreiz ankämpfen.
»Ich kann es mir vorstellen«, sagte Will. »Aber …«
»Nichts aber. Ich ziehe Ihnen jetzt das Jackett aus und mache Sie damit ein bisschen sauber – soweit das überhaupt möglich ist.« Während er das sagte, schob er Will bereits vorsichtig herum und zupfte die Ärmel herunter, sorgfältig darauf bedacht, sie nur an den Oberseiten anzufassen, um nicht in die bluttriefenden Unterseiten fassen zu müssen. »Ich kenne einen Seitenausgang hier. Dann müssen wir nicht den anderen Weg zurück – und laufen auch nicht Gefahr, in Georg hineinzulaufen.«
»Aber Duffy …«
»Keine Sorge. Ich habe da schon
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