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Feuer: Roman (German Edition)

Feuer: Roman (German Edition)

Titel: Feuer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Entfernung da und starrte das lichterloh brennende Haus an, und selbst wenn jemandem die keuchende Gestalt in den angesengten Kleidern aufgefallen wäre, hätte er ihn vermutlich nur für einen weiteren Hausbewohner gehalten, der sich auf diese Weise in Sicherheit brachte. Was der Wahrheit ja auch ziemlich nahe kam.
    Dennoch ging Will kein unnötiges Risiko ein. Er überquerte mit schnellen Schritten die Straße und senkte dabei gerade weit genug den Kopf, dass es nicht auffiel, ihm aber auch niemand direkt ins Gesicht schauen konnte. Er wusste selbst nicht genau, warum er das tat – schließlich war es sein legitimes Recht, aus einem brennenden Haus zu flüchten, das vermutlich innerhalb der nächsten Minuten zusammenbrechen würde –, aber dieses Verhalten war ihm so sehr in Fleisch und Blut übergegangen, dass er es schon fast nicht mehr bemerkte.
    Erst als er auf der anderen Straßenseite angekommen und in der Menge der Schaulustigen untergetaucht war, die sich hier in sicherer Entfernung versammelt hatten, wagte er es, stehen zu bleiben und sich wieder herumzudrehen. Obwohl er eigentlich hätte wissen müssen, was er sah, ließ ihm der Anblick einen eisigen Schauer über den Rücken laufen. Das Haus brannte lichterloh. Es stand nicht einfach in Flammen, sondern loderte wie ein Scheiterhaufen, der mit dem Feuer der Hölle gespeist wurde. Die Flammen hatten längst auch auf die beiden Nachbarhäuser übergegriffen, aber dort wüteten sie nur wie ein normales Feuer, schlimm genug, um keinen Zweifel daran aufkommen zu lassen, dass auch diese beiden Gebäude nicht mehr zu retten waren, aber es war nicht die grausame Glut aus dem Herzen der Erde, die sie verzehrte. Das Haus, das noch vor wenigen Minuten Wills Heimat gewesen war, war schon jetzt kaum mehr als ein ausgeglühtes Skelett, das nur wie durch ein Wunder noch nicht zusammengebrochen war: Hinter der zerborstenen Eingangstür loderte grellgelbe, fast weiße Glut, die eine so unvorstellbare Hitze ausstrahlte, dass selbst der Asphalt auf der Straße davor Blasen zu werfen begann. Die Fenster waren leere Löcher, das Glas längst zerborsten und die hölzernen Fensterrahmen zu Asche zerfallen, aus denen gelbe und rote Flammen schlugen, und selbst das Dach schwelte bereits. Die wenigen Minuten, die Will gebraucht hatte, um auf das Garagendach herunterzusteigen und den Hof zu verlassen, hatten dem Feuer ausgereicht, das gesamte vierstöckige Haus zu erobern. Schon der Gedanke, dass er selbst noch vor ein paar Minuten dort drüben gewesen war, jagte ihm einen weiteren Schauer des Entsetzens über den Rücken.
    »Mein Gott, was … was ist denn da nur passiert?«, stammelte eine junge Frau, die unmittelbar neben Will stand und die brennenden Fassaden auf der anderen Seite aus ungläubig aufgerissenen Augen anstarrte. »Das … das ist doch kein normales Feuer!«
    »Da muss irgendwas explodiert sein«, sagte eine andere Stimme. »Vielleicht die Gastanks im Keller.«
    Wenn, dann musste es ein Gastank von der Größe eines Flugzeugträgers gewesen sein, dachte Will benommen. Er erinnerte sich wieder an die zähflüssige Glut, die sich aus dem Kellergeschoss nach oben gewälzt hatte, und der Gedanke kam ihm mit jeder Sekunde absurder vor. Es konnte keine Lava gewesen sein. Nicht hier, mitten in dieser Stadt und in einem Land, in dem ein leichtes Zittern der Erde schon als Katastrophe gewertet wurde und ein Erdstoß, der anderenorts nicht einmal zur Kenntnis genommen wurde, eine landesweite Hysterie auslöste. Er musste sich geirrt haben. Was er gesehen hatte, war real gewesen, aber es konnte nicht das sein, wofür er es hielt.
    »Hoffentlich sind die Leute alle noch rausgekommen«, murmelte einer der Schaulustigen – allerdings mit einem verräterischen Unterton. Er spekulierte offensichtlich darauf, dass die Katastrophe noch viel größere Ausmaße hatte, als es im Moment schien. Will starrte den Sprecher an, so dass der seinerseits den Kopf drehte und ihn anblickte. Es war ein junger Mann mit einer Zweihundert-Euro-Frisur und einem Anzug, der mehr kostete, als Will in einem ganzen Monat (legal) verdiente, aber im Moment schien sein weltmännisches Outfit das gierige Glitzern in seinen Augen eher noch zu unterstreichen. Für den Bruchteil einer Sekunde verspürte Will den heftigen Wunsch, die Faust zu ballen und dem sensationslüsternen Gaffer stellvertretend für alle anderen hier ins Gesicht zu schlagen.
    »Was … haben Sie gesagt?«, murmelte er.
    »Die Leute dort

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